Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
offenem Mund und einem bisschen Spucke, die auf sein neues Kissen rinnt, sein Schlaf schreit geradezu nach einer sicheren Familie, er wird es mir nicht abschlagen können.
Wo ist Papas neue Wohnung genau, frage ich mit süßer Stimme, so ganz nebenbei, ist sie weit von hier? Und Gili sagt, nein, nicht richtig weit und nicht richtig nah, man muss ein bisschen mit dem Auto fahren, und ich frage, wie sieht die Straße aus, und er sagt, so eine ganz normale Straße, wie hier, mit Bäumen und mit Häusern, und ich schlage vor, vielleicht versuchst du, das Straßenschild zu lesen, und sagst mir dann, welche Buchstaben darauf stehen, und er protestiert, das ist noch zu schwer für mich, und schon erfinde ich ein neues Spiel für ihn, ein Rätsel mit kleinen Belohnungen, und wir machen lange Spaziergänge durch das Viertel, während er versucht, die Straßennamen zu entziffern, und ich erkläre ihm alles genau, übe mit ihm Lesen und sich auf den Orientierungsmärschen zurechtzufinden, ihm gefällt das Spiel, aber bei seinem nächsten Besuch bei Amnon hat er es schon vergessen, und ich bin ratlos, denn um das Herz seines Vaters zu erweichen, muss ich vor ihm stehen, und plötzlich kommt mir das ganz unmöglich vor. Der Kontakt zu unseren Freunden aus der Familienzeit ist abgerissen und Gabi kann ich natürlich nicht fragen, und so stehe ich vor einem seltsamen Hindernis, ich habe mir genau überlegt, was ich sagen und was ich anziehen will, ich kenne jedes Detail des Aufeinandertreffens, nur nicht den Ort, an dem es stattfinden soll, und trotzdem will ich nicht darauf verzichten, ich beschließe, ihnen heimlich zu folgen, wenn Amnon Gili am Freitag abholt und mit ihm zu der neuen Wohnung fährt, zum ersten Wochenende ohne mich.
Ich sitze mit gesenktem Kopf in Dinas kleinem Auto neben dem Schultor, mit einer Sonnenbrille auf der Nase und einem hellen Strohhut auf dem Kopf, und warte. Vor mir und hinter mir warten andere Autos, die jetzt noch leer sind, sich bald aber mit fröhlichen Kindern füllen werden, die begeistert und verschwitzt in den Schoß der Familie zurückkehren. Mütter und Väter tauchen auf, die meisten kenne ich, bei vielen war ich schon zu Hause und habe die Einrichtung bewundert. Da ist die schöne Keren, die bei der Schabbatfeier alle zu ihrer Party eingeladen hat, mit einem kurzen Kleid und nackten, braun gebrannten Beinen, ihr Mann läuft ihr nach, legt ihr den Arm um die Schultern, und sofort flackert Neid auf, sofort fangen die dürren Zweige an zu lodern, und da nähert sich Michal mit langsamen, lustlosen Schritten, ihr Gesicht hat in der letzten Zeit einen besorgten Ausdruck, aber wir sprechen kaum miteinander, Jotam hat vermutlich den Glauben an seinen zweifelhaften neuen Freund verloren, und Gili hat mit Leichtigkeit andere Freunde gefunden, ich lege den Kopf aufs Lenkrad, als würde ich ein bisschen dösen, und werfe einen unauffälligen Blick auf den Tumult, den ich gut kenne und der mir trotzdem an diesem Freitagmittag fremd vorkommt. Einer nach dem anderen kommen die Kinder durch das weit geöffnete Tor, aber Gilis Vater taucht nicht auf, wie üblich verspätet er sich, vielleicht hat er es auch vergessen, was für ein Glück, dass ich hier bin, aber wie kann ich ohne ihn meinen Plan ausführen? Zu meinem Erschrecken fahren immer mehr Autos weg, hoffentlich bleibe ich nicht allein zurück, denn dann werden sie mich bestimmt entdecken, ich schaue mich beunruhigt um, komm schon, wo steckst du, alle möglichen Sorgen schwirren mir durch den Kopf, und wenn er nicht allein ist, und wenn ich neben ihm die arme Ofra entdecke, fast einen Monat lang habe ich gewartet, volle vier Wochen sind seit unserer Trennung vergangen, vielleicht habe ich den Zeitpunkt verpasst, vielleicht war er auch zu früh da und sie sind längst in seiner Wohnung, und Gili hüpft barfuß auf dem neuen Bett herum, aber da ist er ja, das rote Auto kommt schnell näher und bleibt genau hinter mir stehen, fast hätte es Dinas Auto gerammt, er steigt schwerfällig aus und streckt sich, wirft einen Blick auf seine Uhr, fährt sich mit einer mir sehr vertrauten Bewegung über den Kopf, dort wachsen zu meinem Erstaunen braunblonde Stoppeln, die aussehen wie das Gras im Rabenpark. Vier Wochen habe ich ihn nicht gesehen, und mein Herz fliegt ihm entgegen, wie kostbar er ist und wie vertraut, er sieht gut aus, die Hose mit den tiefen Taschen hängt locker an seinem Körper, er scheint ein bisschen abgenommen zu haben, er sieht so
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