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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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und ignoriere den missbilligenden Ausdruck auf ihrem Gesicht, wofür hast du gebacken, einfach so, nur für dich, frage ich, so seltsam kommt mir das plötzlich vor, eine Frau lebt allein in einer Wohnung, mit einem Kuchen, und sie antwortet, ich erwarte morgen Gäste zum Mittagessen, du bist auch eingeladen, und ich sage, danke, morgen bringen wir bestimmt seine Sachen zurück nach Hause, ich weiß nicht, ob wir da Zeit haben, und sie seufzt, sieht mich zweifelnd an, Ellinka, für den Fall, dass nicht alles so läuft, wie du glaubst, dann vergiss nicht, dass du morgen Mittag hier eingeladen bist. Danke, wirklich vielen Dank, sage ich ein bisschen überheblich, was habe ich mit diesen gezwungenen Treffen zu tun, die sie für ihre trostlosen, allein stehenden Bekannten organisiert, ich komme überhaupt nicht auf die Idee, dass es nicht klappen könnte, ich bin hochmütig, schließlich liebt er mich, in einem Monat hat er diese Liebe bestimmt nicht verloren, du tust so, als wäre er es gewesen, der mich verlassen hat.
    Nach einer gewissen Zeit spielt es keine Rolle mehr, wer wen verlassen hat, bemerkt sie, sondern nur noch, wer sich leichter an die neue Situation anpasst, und ich schnaube verächtlich, Amnon und sich anpassen? Er mag keine Veränderungen. Dass er mich jetzt nicht sehen will, heißt noch lange nicht, dass er nicht zurückkehren möchte, ganz im Gegenteil, er ist einfach verletzt, er hat Angst, seinen Willen auszudrücken, aber wenn es von mir kommt, ist er glücklich, du wirst sehen. Wieder seufzt sie, ihre Hände ruhen auf ihren Rippen, als würde sie von einem plötzlichen Kälteschauer gepackt, gut, ich hoffe für dich, dass du Recht hast, die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, was ich dir wünschen soll, und ich sage, na was wohl, wünsch mir Erfolg, und sie antwortet mit einem ernsten Lächeln, aber was in deinen Augen ein Erfolg ist, ist es nicht in meinen, und ich küsse sie auf die spröde Wange, genug, sei nicht so kleinlich, Dina, und sie sagt, ich wünsche dir viel Erfolg, Ellinka, ihre braunen, von dünnen roten Äderchen umrandeten Augen folgen mir besorgt, als ich mich entferne, ähnlich wie die Augen meiner Mutter mich freitagabends begleitet haben, wenn ich zu jenen Klassenpartys ging, von denen ich regelmäßig gedemütigt in ihre tröstenden Arme zurückkehrte.
    Wie aufregend und wie seltsam das ist, dass ich jetzt zurückkehre, nach zehn Jahren, mit schnellen kleinen Schritten, die an ihrem Glück zweifeln und denen es schwer fällt, zu glauben, dass er mich will, dieser große stolze Mann, der damals ausgerechnet mich zu sich einlud, um mir den Ausgrabungsbericht zu zeigen, an dem er schrieb, ich sollte meine Meinung dazu sagen, und ich bleibe einen Moment lang vor dem Gebäude stehen, in dem er damals gewohnt hat, in dieser voll gestopften Einzimmerwohnung voller Bücher und Keramikgegenstände und voller düsterer Radierungen des alten Jerusalem, eine Wohnung, erfüllt von seinem scharfen rauen Charme, wie gurrend er gelacht hat, als ich meine Anmerkungen formulierte, du bist keine Archäologin, hat er erstaunt gesagt, dich interessieren nur Märchen, was machst du überhaupt in unserer Abteilung, und damals hörten sich seine Worte an wie ein ausgefallenes Lob. Ich muss dich mal nach Thera mitnehmen, sagte er, kommst du mit mir? Und ich nickte glücklich, ich werde mit dir bis ans Ende der Welt gehen, bis hinunter in den Bauch der Erde werde ich dir folgen, ich setzte mich auf seine Knie und schaute dankbar in seine wunderschönen Augen, ich streichelte seine Hände, als hätte ich wirklich Tausende von Jahren unter einer Erdschicht gelegen, bedeckt von Lava, bis diese großen Hände kamen und mich von dort erretteten.
    Es ist schon kühl und dunkel an diesem Abend, und nur wenige Autos fahren an mir vorbei, eines verringert die Geschwindigkeit, ich meine eine Hand zu sehen, die mir grüßend zuwinkt, aber ich versuche nicht, zu erkennen, wer es ist, ich antworte nur mit einer beiläufigen Geste und versinke in den Stimmen, die durch das offene Fenster auf die Straße fliegen wie schwärmende Vögel, ich erlaube mir, in das Tischgebet einzustimmen, obwohl ich an dem Essen nicht teilnehme. Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein … Endlich sind die Feiertage vorbei, die mir dieses Jahr wie eine schwere Last vorgekommen sind, Feiertage ohne Eltern, ohne Familie,

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