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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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noch ein paar wacklige Laubhütten sind zurückgeblieben, schnell aufgebaut und noch nicht wieder entfernt, ihre vom Tau feuchten Decken verströmen einen satten Geruch nach Herbst, die Palmenzweige sind verwelkt, ich schaue in eine der leeren Hütten hinein, sorgfältig ausgeschnittene und zusammengeklebte Papiergirlanden rascheln im Wind, ein paar von ihnen winden sich schlangenartig zu meinen Füßen. Wann war das, vor einem Jahr oder zwei, als Gili uns gedrängt hat, auf dem Balkon eine Laubhütte zu bauen, Amnon hat sich geweigert, und schließlich stieg ich selbst auf das Geländer und versuchte, den Balkon mit Betttüchern zu bespannen, während er auf dem Sofa lag und las, gleichgültig gegenüber meinen Bemühungen, das ganze Fest über haben wir nicht miteinander gesprochen, zehn ganze Tage, und auch als wir uns endlich wieder versöhnten, hatte die Versöhnung einen bitteren Beigeschmack. Ich habe ihn nie gefragt, warum er sich eigentlich geweigert hat, warum fiel es ihm so schwer, dem Jungen eine Freude zu machen, vielleicht werde ich es heute Nacht herausfinden, ohne Vorwürfe und ohne Schuldzuweisungen, nur aus ehrlichem Interesse, werde ich sagen, es gibt so wenige Möglichkeiten, ihn glücklich zu machen, und sie gehen so schnell vorbei, es wird eine Zeit kommen, in der sein Glück nicht mehr von uns abhängt, wir werden hilflos vor seinem Schmerz stehen.
    Ich schleiche mich zwischen den beiden Palmen hindurch, als könnten sie ihre dünnen Arme nach mir ausstrecken und mir den Weg versperren, im Treppenhaus betrachte ich prüfend die Briefkästen, da ist sein Name, in eckigen Buchstaben auf ein Stück Papier gedruckt und von einem schwarzen Rahmen eingefasst, als würde hier sein Tod angezeigt, und erleichtert stelle ich fest, dass kein Frauenname sich seinem angeschlossen hat, und trotzdem bedrückt mich die Aggressivität der Buchstaben, die seine feste Absicht zu einer eigenen Existenz bezeugen, die nicht schwankend und vorübergehend ist, wie ich gehofft habe, für immer wird er hier bleiben, und ich bücke mich vor seinem Namen, betrachte die Buchstaben genau, murmle wieder und wieder die Worte, die ich für ihn habe, obwohl ich noch immer glaube, dass ich kein einziges Wort benötige, in dem Moment, da er mein Gesicht sieht, wird seines anfangen zu strahlen, und wir werden keine Worte brauchen.
    Leise Musik dringt, zusammen mit einem schmalen Lichtstreifen, durch den Spalt zwischen Wohnungstür und Fußboden, und ich stelle erleichtert fest, dass es eine CD ist, die ich ihm gekauft habe, ich erkenne die gewundenen Klänge einer klassischen Gitarre, ist das nicht eine Einladung, ist das nicht ein Zeichen, dass er mich erwartet? Leise klopfe ich an, um den Jungen nicht zu wecken, es ist schon spät, bestimmt schläft er bereits, aber keine Stimme ist hinter der Tür zu hören, keine Bewegung, vielleicht sind beide eingeschlafen, ich kann sie vor mir sehen, einer neben dem anderen auf dem schmalen Bett, Gili schläft wie immer auf dem Rücken, Amnon wie immer auf dem Bauch, und wieder klopfe ich, vor meinen Augen sehe ich die Hindernisse, die auftreten könnten, bis jetzt habe ich mir nicht die Mühe gemacht, sie in Betracht zu ziehen. Vielleicht schlafen sie beide, und ich schaffe es nicht, sie zu wecken, oder die Anwesenheit Gilis macht alles kaputt, oder noch schlimmer, er hat Besuch, obwohl Gili nie etwas berichtet hat, stelle ich mir eine Frau an seiner Seite vor, und ich mache ein paar kurze nervöse Schritte zurück, dann klopfe ich wieder an und höre endlich, endlich schlurfende Schritte, und er fragt nicht, wer da ist, vielleicht erwartet er einen anderen Gast, denn als Licht aus der Wohnung auf mein Gesicht fällt, weicht er zurück und murmelt, Ella, was suchst du hier, aber seine Stimme klingt nicht erstaunt und begeistert, sondern sachlich, verwundert, kühl, was suchst du in einem Haus, das nicht deines ist und in das dich niemand eingeladen hat.
    Ich nähere mein Gesicht dem seinen, seine Größe überrascht mich, ich recke den Hals zu ihm hinauf, eine unangenehme Bewegung, die ich schon vergessen hatte, dränge mich in die Wohnung, in die er sich vor mir zurückzieht, Amnon, wir müssen miteinander reden, und er presst die Lippen zusammen, bis sie fast in der Weite seines großen Gesichts verschwunden sind, er beißt sich auf die Unterlippe, sein Blick weicht meinem aus.
    Reden, worüber, fragt er, als hätten wir noch nie ein Wort gesprochen und als würde allein die Möglichkeit

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