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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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wieso habe ich nicht verstanden, dass es sich um ein Erdbeben handelte, dessen Staub noch monatelang das Auge der Sonne verdunkeln würde?
    Und da dringt ein vertrautes, beruhigendes Geräusch an mein Ohr, das Drehen des Schlüssels in der Wohnungstür, das zögernde Knarren in den Angeln, um mich nicht zu wecken, so ist er nachts nach Hause gekommen, und ich, die ich ohne ihn nicht einschlafen konnte, hörte es, und sofort war der Schlaf da, und auch jetzt würde ich mich, als ich das Quietschen der Tür höre, am liebsten dem Schlaf hingeben, der mir so fehlt, bis die Freude mich mit wilden Sätzen durchdringt, von den Fingerspitzen bis zu den Haarwurzeln, er ist gekommen, er hat mir nicht widerstanden, er hat sich wie immer gefügt, er hat nur versucht, es mir ein bisschen schwerer zu machen, damit ich ihn nie wieder so grob behandle, er hat seine neue Wohnung verlassen, seine bequemen Möbel, und ist nach Hause zurückgekehrt, und ich springe aus dem Bett und renne zur Tür, ich strecke die Hand aus, taste mich durch die glückliche Dunkelheit. Amnon, du bist es, nicht wahr, frage ich flüsternd, aber er antwortet mir nicht, er steht in der Tür wie zusammengefaltet, wie eingepackt, so kurz und breit sieht er aus, und ich sage, Amnon, ich freue mich so, dass du gekommen bist, ich habe gewusst, dass du es nicht so gemeint hast, ich verspreche dir, dass du es nicht bedauern wirst, alles wird sich zwischen uns ändern, und dann dringt aus dem Schatten an der Tür eine Stimme, rissig und näselnd, tief und abstoßend, es ist nicht Amnon, du dummes Huhn, dein Zustand muss ja schlimm sein, wenn du uns schon nicht mehr unterscheiden kannst, und ich drücke sofort auf den Schalter, mache das Licht an und sehe Gabis groben Körper, er hat einen dunklen, zerknitterten Anzug an, schwarze Stoppeln bedecken seine Wangen, seine Augen sind purpurrot, ich bin entsetzt von seiner Anwesenheit, davon, dass er in meine Wohnung eingedrungen ist, davon, wer er ist und wer er nicht ist, die Kehle ist mir zugeschnürt vor Scham und Wut.
    Wie kannst du es wagen, wie kannst du es wagen, belle ich ihn an, und er mustert mich mit seinen blutunterlaufenen Augen, schwer atmend, Alkoholdunst dringt aus seinem Mund, ich habe dich gewarnt, dass ich zurückkomme, wann es mir passt, um mit dir abzurechnen, stöhnt er, wie ich sehe, hast du auf mich gewartet, sein Blick gleitet über meine Unterwäsche, und ich zische, hau sofort ab, sonst rufe ich die Polizei, ein Anruf, und deine Karriere ist beendet, nimm dich in Acht vor mir. Ich weiß, dass du das nicht machen wirst, sagt er ruhig und grinsend, und ich sage, du bist ein armseliger Angeber, bald wirst du kein Büro mehr haben, und vor allem keine Praktikantinnen, hau ab und gib mir den Schlüssel, und er lehnt sich an die Tür, mustert mich abschätzig und sagt, mach dir keine Sorgen, Ellinka, ich werde wieder gehen, aber nicht, bevor ich dir eine Lehre erteilt habe, die du im Leben nicht mehr vergisst.
    Du wolltest heute Nacht mit Amnon schlafen, das war es, was du gewollt hast, stößt er mit einem sauren Lachen aus, und dafür hast du jetzt mich, alles, was du mit ihm machen wolltest, wirst du mit mir machen, und ich versuche mit meinen abgekauten Fingernägeln seine Schultern zu zerkratzen, stoße sein Gesicht zurück, das sich mir nähert, du träumst, wenn du denkst, du könntest Amnon ersetzen, zische ich, du bist doch nichts anderes als Amnons Abfalleimer, und sogar den braucht er nicht mehr.
    Er grinst, auch dich braucht er nicht mehr, sonst wärst du jetzt nicht hier, ich habe gesehen, wie du aus seinem Haus gekommen bist, nachdem er dich rausgeworfen hat. Da erinnere ich mich an das Auto, das langsam an mir vorbeigefahren ist, du hast mich verfolgt, du Schwein, aber meine Wut bleibt mir im Hals stecken, was spielt es schon für eine Rolle, er hat mich verfolgt, ich habe Amnon verfolgt, wir sind beide verloren, verloren wie die beiden Skelette in dem unterirdischen Wasserstollen von Megiddo, seine kurzen Beine drängen sich zwischen meine, während ich ausgestreckt unter ihm auf dem nackten Boden liege, der sich hart und kalt anfühlt.
    Sag, Amnon, ich will dich, näselt er mir ins Ohr, und ich sehe die Worte, die wie führerlose Boote auf dem Fluss der Tränen treiben, der aus meiner Kehle bricht, Amnon, ich will dich, die Worte wurden gesagt, und in dem Moment ist es schon egal, wer sie gesagt hat und für wen sie bestimmt waren. Sag, Amnon, komm zurück, ich tue alles, damit du zu

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