Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
der Zucker an meinen Fingern kleben blieb, nahm einen blumenförmigen, mit roter Marmelade bestrichenen Keks und hielt ihn an die Nase und dann an den Mund, nur um daran zu lecken, und der verbotene süße Geschmack drang in mich ein, und ich biss ein Stück ab, und noch ein Stück, bis ich plötzlich von Heißhunger gepackt wurde und mich nicht mehr beherrschen konnte, dahin und dorthin streckte ich meine Hand, es war, als wären mir plötzlich viele Hände gewachsen, viele Münder, und ich aß Schokoladenwürfel, Waffeln, Karamellbonbons, Gummischlangen und Marmeladenschnitten, bis die Teller fast leer waren und sich unter dem Tisch zerrissene Einwickelpapierchen sammelten und angebissene Süßigkeiten, und dann streckte ich meine schmutzigen Hände nach der prachtvollen Geburtstagstorte aus, einer Schokoladentorte mit weißem Zuckerzeug, und auch sie verdarb ich, und als die Kinder kamen, fanden sie mich zusammengekrümmt und mich übergebend unter dem Tisch, verschmiert von Tränen und Schokolade, bestäubt vom Puderzucker, was habe ich gemacht, Mama, Papa, helft mir, ich habe meinen Geburtstag kaputtgemacht, ein ganzes Jahr habe ich darauf gewartet, und schaut nur, was ich getan habe.
Erst als ein Mann und eine Frau, in ein angeregtes Gespräch vertieft, mir entgegenkommen, fällt mir auf, wie leer die Straße ist, ich betrachte sie, er ist groß, ein bisschen gebeugt, sie klein und dünn und schiebt einen Doppelkinderwagen, hinter ihnen geht ein mittelgroßer Junge im Alter unseres Sohnes, schau uns an, Amnon, das sind wir, so werden wir parallel weiterleben, wir werden Kinder bekommen, und ich lege die Hand über die Augen, nach den Worten verbünden sich nun auch die Bilder gegen mich, jeder zufällige Anblick, den ich ab jetzt bis in alle Ewigkeit sehen werde, wird mir gekrümmte Katzenkrallen entgegenstrecken, alles, was aus meinem Leben entfernt wurde, so wie Fundstücke aus einer Grabungsstätte entfernt werden und nur noch schriftliche oder gefilmte Dokumentationen zurückbleiben, alles wird zu einem bedrohlichen Anblick werden, Arm in Arm gehende Paare, schwangere Frauen, Eltern mit ihren Kindern, und ich wende den Blick zur Straße, ein elegantes Auto fährt langsam an mir vorbei, weckt einen Moment lang ein unbehagliches Gefühl in mir und verschwindet wie das Licht, das in den Fenstern erlischt, und die Menschen verabschieden sich dankend von ihren Gastgebern, schau an, ein weiterer Abend ist vorbei, aber für mich ist das nicht irgendein weiterer Abend, es ist der Abend, an dem mein Vorhaben misslungen ist, mein Plan, an den ich mich die letzte Woche über geklammert habe, und jetzt ist bei mir jedes Interesse an der Zukunft erloschen.
Mit weichen Knien steige ich die Treppe zu meiner Wohnung hinauf, was habe ich hier noch verloren, dort will ich wohnen, in der schönen Wohnung mit Blick auf das Kloster, dort möchte ich schlafen, in dem Bett mit dem bestickten Überwurf, hinter dem Perlenvorhang, am Morgen, wenn Gili vor mir steht, werden die Perlen in der Sonne glänzen, er wird den Vorhang ungläubig zur Seite schieben und seinen Augen nicht trauen, ein Anblick, mit dem er nicht mehr gerechnet hat, seine Mutter und sein Vater in einem Bett, nebeneinander, mit geschlossenen Augen, genau wie es auf dem Plakat steht, das er eigenhändig gemalt hat, das Zimmer von Mama und Papa. Wie schäbig meine Wohnung aussieht, fleckig, abgenutzt, ein Körper, der seine Seele verloren hat. Und ich mache schnell das Licht aus und schlüpfe aus dem Kleid.
Eine unendliche Wut erfüllt das Bett, ein tobender Stier scheint unter der Matratze zu schnauben und droht, das Bett, das Haus, die ganze Stadt auf dem Rücken davonzutragen, in den Untergang, und ich fürchte mich nicht, ebenso wie sich in der Vorzeit die Einwohner Theras nicht vor dem Stier gefürchtet haben, der im Innern der Erde tobte, sie wollten nur, dass er sich aufrichten und die Ordnung der Welt erschüttern möge, die unvorstellbar und unerträglich geworden war. Wie konnte es so weit mit uns kommen, dass ich hier allein in der Wohnung bin, an einem Schabbatabend, als wäre ich allein auf der Welt, als hätte ich noch nie eine Familie gehabt, und sie sind dort ohne mich, ein Vater und sein einziger Sohn, wie sich die Realität verzerrt hat, wie eine gesunde, hübsche Frau, der eine plötzliche Lähmung das Gesicht entstellt, warum habe ich diese ganzen Geschichten über Geschiedene geglaubt, die ich mit halbem Ohr gehört habe, naiv und begeistert,
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