Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
brennende Dunkel meines abgebrochenen Schlummers versuche ich die Richtung unserer Fahrt zu bestimmen, ob er mich zu mir nach Hause bringt oder zu sich, und empfinde ein warmes Gefühl der Erleichterung, als ich seine Gasse erkenne, heißt sie wirklich Simtat ha-Slichot, Gasse der Bußgebete? Mit zusammengekniffenen Augen beobachte ich ihn, stelle mich schlafend, um ihm nicht in meiner Schande gegenübertreten zu müssen, lasse mich hinterherziehen wie eine Mondsüchtige, betrete hinter ihm die Wohnung, lasse zu, dass er mich mit geübten Bewegungen auszieht, den Mantel, den Pullover, die Bluse, den Büstenhalter, die Schuhe und Strümpfe, die Hose und die Unterhose, so viele Hüllen, und trotzdem solche Kälte. Als ich bewegungslos in der vollen Badewanne liege, habe ich Kopfschmerzen vom Weinen und dem jäh unterbrochenen Schlaf, von dem wiedererwachten Gefühl der Reue, ich trinke den heißen Tee, den er mir bringt, sehe die vorsichtigen Blicke, die er mir manchmal zuwirft, als suchte er eine Gräte in meinem Hals, und hinter der Welle des Wohlgefühls, plötzlich umsorgt zu werden, wie ich noch nie umsorgt wurde, auf eine vollkommene, fast beschämende Art, kommt es mir vor, als verstünde ich langsam, wie hoch der Preis ist, den ich dafür zahle, denn die Art, wie er mich vorhin ausgezogen hat, war nicht die Art eines Mannes, der eine Frau auszieht, sondern es war so, wie ein Vater seine Tochter oder ein Arzt eine Kranke auszieht, und auch der Blick, mit dem er auf meine Nacktheit schaute, war sachlich und ohne jede Nähe.
Als ich aus dem Wasser steige, noch immer zitternd vor Kälte, reibt er meine Haut mit einem Handtuch ab und zieht mir ein weißes Flanellunterhemd an, und während der ganzen Zeit sagt er kein Wort, er führt nur praktische Bewegungen aus, als wäre ich ein stummes Findelkind, das er vom Straßenrand aufgelesen hat, eine Straßenkatze, derer er sich in der kalten Nacht erbarmt, die er aber, wenn die Sonne aufgeht, wieder wegjagen wird, und auch ich sage kein Wort, ich versinke in dem Bett mit der neuen harten Matratze, ziehe die Decke über mich, trinke den Rest des süßen Tees, verfolge seine ruhigen Bewegungen und frage mich, ob er so seinen Vater gepflegt hat, seine Mutter, seine Schwester, mit diesem tüchtigen, traurigen Schweigen, er wagt es nicht, sich zu beklagen, seinen Unmut zu zeigen. Willst du noch einen Tee, fragt er, und ich sage, nein, ich möchte mit dir sprechen, ich strecke ihm die Hand entgegen und er weicht aus, du solltest noch etwas trinken, sagt er, offenbar fürchtet er sich vor dem Ende der nützlichen Tätigkeiten, was wird er dann tun, wird er mir vorschlagen, noch einmal in die Badewanne zu steigen, wird er mich noch einmal aus- und wieder anziehen, und ich sage zu seinem sich entfernenden Rücken, sprich mit mir, Oded, und er sagt, lass uns mit dem Reden noch warten, und ich frage, worauf, und er kommt mit einer vollen Tasse Tee zurück, setzt sich auf den äußersten Rand des Bettes, als fürchtete er, sich bei mir anzustecken. Ich möchte nichts überstürzen, sagt er ruhig, ich möchte nichts zu dir sagen, was ich hinterher bereue, und ich flüstere, ich habe dich enttäuscht, es tut mir so Leid, und er sagt, ja, und ich habe dich enttäuscht, aber lass es, wir werden hier kein Gericht über Gefühle halten, du hast ein Recht auf deine Gefühle, ich auf meine, die Frage ist nur, ob unsere Gefühle sich miteinander vertragen.
Das Bett ist weiß und kühl, umgeben von strahlenden Wänden, weiße Horizonte umfangen uns, es scheint, als befänden wir uns in einer Schneewüste, wie besiegte Soldaten, die nur noch um einen schnellen Tod flehen. Unter meinem Kopf liegt ein eisiges Kissen, über meinem Körper eine kalte Decke, sogar in dem verlassenen Park war mir wärmer als hier in deinem Bett, was werden wir tun, Oded, eine winzige Frucht liegt zwischen uns, eine Frucht, die nicht gereift ist, ein heruntergefallener Stern, eine Pflanze, die aus der Erde gerissen wurde, was werden wir tun, Oded? Schlaf, flüstert er, es ist schon spät, und ich bedecke mein Gesicht mit dem weichen Schnee, wie kann ich schlafen, wenn ich dich verliere, vorsichtig überschreite ich die weiße Grenze zwischen mir und ihm, drücke mich an den Rücken, den er mir zugewendet hat, hart wie Stein ist er, schlaf mit mir, Oded, und er dreht sich langsam zu mir um, seine Fingernägel flattern über mein Gesicht, zeichnen die Bögen der Augenbrauen nach, die Konturen der Lippen, ich kann
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