Liebeslist und Leidenschaft
…“
„Nein“, bestätigte Nicole und lächelte unsicher. Wenn man bedachte, wie sie sich aufgeführt hatte – wie ein eifersüchtiges kleines Kind –, war das gewaltig untertrieben.
„Aber gemeinsam können wir das vielleicht wieder geradebiegen.“
„Gerne. Wer weiß, könnte sein, dass wir uns sogar lieb gewinnen.“
Judd lächelte über ihren Kommentar, und sie spürte, er hatte einen ganz ähnlichen Humor wie ihr Vater. Sofort fühlte sie sich in seiner Gegenwart wohler. Dann erzählte Judd ihr in knappen Worten alles.
„Du meinst, das war Nates Idee?“, fragte sie ungläubig. „Ausgerechnet er ist dafür, dass wir unsere Unternehmen fusionieren?“
Sie ging zum Fenster und blickte nachdenklich hinaus auf die Stadt. Wie konnte Nate so einen Vorschlag machen? Was war aus seinem Rachedurst geworden, der ihn – wie er selbst einmal zugegeben hatte – schon seit Kindertagen beherrschte? Warum wollte er gerade jetzt Frieden schließen? Ihm musste doch klar sein, dass er damit Wilson Wines einen Gefallen tat. Denn die Firma war geschwächt, weil es ihr momentan an klarer Führung fehlte – Nicoles Vater konnte das Ruder nicht wieder übernehmen, und Judd war im Geschäft noch unerfahren. Eigentlich wäre es für Jackson Importers die beste Gelegenheit gewesen, dem Konkurrenten den Todesstoß zu versetzen. Aber stattdessen bot Nate ihnen die Rettung an.
„Ja, es war Nates Idee“, bestätigte Judd. „Und nachdem ich es mit ihm durchgesprochen und die Zahlen geprüft habe, bin ich der Meinung, wir sollten den Vorschlag annehmen. Nicht nur, dass es wirtschaftlich klug wäre – es sorgt auch endlich für Frieden zwischen den Familien.“
Ungläubig schüttelte Nicole den Kopf. „Bist du sicher, dass das kein mieser Trick ist?“
„Glaub mir, ich habe alles überprüft. Kein Fallstrick, nirgends. Und so, wie es im Moment aussieht, gewinnen wir dabei viel mehr als er. Du solltest das am besten wissen, du hast ja für ihn gearbeitet. Seine Firma ist nicht nur auf dem heimischen Markt sehr stark, sondern auch in Übersee, das hat er erreicht. Wenn er sein Unternehmen weiter so gut führt, wird er seine Marktposition sogar noch ausbauen. Natürlich bringt Wilson Wines in den Zusammenschluss sein Renommee und den guten Namen mit ein – aber wenn wir nicht expandieren und die Firma modernisieren, wird unsere Position eher schwächer und seine stärker. Etwas Besseres als diese Fusion könnte uns deshalb gar nicht passieren.“
Hatte Nate vielleicht doch echte Reue gezeigt, als er Nicole am Freitagabend aufgesucht hatte? Wollte er wirklich das Kriegsbeil begraben und Vergangenes vergessen sein lassen? Konnten die Familien sich versöhnen?
Und … war das vielleicht eine Chance für Nate und sie?
„Das kommt jetzt alles ein bisschen plötzlich“, murmelte Nicole. „Musst du unbedingt schon heute wissen, was ich davon halte? Eigentlich müsste ich darüber erst einmal nachdenken.“
„Es ist wirklich viel auf einmal. Anna und ich waren froh, dass wir uns übers Wochenende allmählich mit dem Gedanken anfreunden konnten. Aber ich kann die Entscheidung nicht alleine treffen. Schließlich betrifft sie auch dich.“
„Tut sie nicht“, erwiderte Nicole scharf. Die alte Verbitterung stieg wieder in ihr auf. „Du hältst die Stimmenmehrheit über Wilson Wines und Dad den Rest. Deshalb ist es deine Entscheidung, Judd. Ob du willst oder nicht.“
Ihr Bruder nahm einen Umschlag vom Schreibtisch und überreichte ihn Nicole. „Hier. Was da drin ist, hilft dir vielleicht bei deiner Entscheidung.“
„Was … was ist es?“
Er lachte freundlich. „Mach einfach den Umschlag auf. Keine Angst, er beißt nicht. Und was da drin ist, tut dir nicht weh, sondern wohl. Du wirst schon sehen.“
Sie riss das Kuvert auf. Ein einziges Blatt Papier lag darin. Als sie den Text las, konnte sie es kaum glauben. Judd überschrieb ihr darin alles, was ihr Vater ihm gegeben hatte. Nicht die Hälfte, nicht weniger als die Hälfte – alles. Wenn sie das von ihm schon unterzeichnete Dokument unterschrieb, würde sie die Mehrheit an Wilson Wines besitzen. Dann würde sie in Zukunft über das Schicksal des Unternehmens entscheiden.
„Hast du den Verstand verloren?“, fragte sie ungläubig.
„Nein, ich würde eher sagen, ich habe ihn wiedergefunden. Es hat mich viel gekostet, bis ich eingesehen habe, dass ein Leben, in dem sich alles nur um Rache dreht, kein Leben ist. Und ich glaube, dass Nate vor Kurzem zu
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