Liebesmaerchen in New York
in Schweigen und hörte zu. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme gepresst. »Meinen Glückwunsch. Ob ich mich gekränkt fühle?« Es war ihr gleichgültig, dass ihr Lachen so seltsam klang. »Nein, Allan, ich fühle überhaupt nichts. Also, dann viel Glück. Bedaure, aber mehr Begeisterung kann ich nicht aufbringen. Ich sage Radley, dass du angerufen hast.«
Sie legte auf, sorgfältig darauf bedacht, ganz ruhig zu bleiben. Langsam rollte sie die Schnur ab, die ihr ins Handgelenk schnitt.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte und ging zum Herd, um sich Kaffee einzugießen, den sie gar nicht trinken wollte. »Er hat angerufen, um mir zu sagen, dass er wieder heiraten will. Er dachte, es würde mich interessieren.«
»Macht es dir etwas aus?«
»Nein.« Sie trank den Kaffee schwarz und empfand den bitteren Geschmack als wohltuend. »Was Allan tut, hat schon vor Jahren aufgehört, Bedeutung für mich zu haben. Er wusste nicht einmal, dass Red Geburtstag gehabt hat.« Jetzt kam ihr Ärger hoch, sosehr sie sich auch bemüht hatte, ihn zu unterdrücken. »Er wusste nicht einmal, wie alt er ist.« Sie knallte die Tasse auf den Tisch, sodass der Kaffee nach allen Seiten überschwappte. »In der Sekunde, in der Allan aus der Tür ging, hörte Radley auf, für ihn eine Realität zu sein. Er brauchte dazu nur die Tür hinter sich ins Schloss zu werfen.«
»Was macht das heute denn noch für einen Unterschied?«
»Er ist Radleys Vater.«
»Nein.« Nun brach auch sein eigener Ärger hervor. »Das musst du dir abgewöhnen zu denken. Du musst endlich lernen zu akzeptieren, dass die einzige Rolle, die er in Radleys Leben gespielt hat, eine biologische ist. Und dadurch entsteht noch nicht notwendigerweise eine menschliche Beziehung.«
»Er hat aber nun mal eine Verantwortung seinem Sohn gegenüber.«
»Die er nicht will, Hester.« Mitch bemühte sich, geduldig zu bleiben, und nahm ihre Hände. »Er hat das Band zwischen sich und Red selbst zerschnitten. Das kann man nicht gerade bewundernswert nennen, und er hat es sicher nicht zum Besten seines Kindes getan. Aber wäre es dir lieber, wenn er je nach Laune mal erschiene, mal nicht – und das Kind verwirren und ihm Schmerz zufügen würde?«
»Nein, aber ich …«
»Du möchtest, dass ihm etwas an seinem Sohn liegt. Aber das tut es nun einmal nicht.« Obgleich Hester ihm die Hände überließ, spürte er die Veränderung, die in ihr vor sich ging. »Du ziehst dich schon wieder vor mir zurück.«
Das war tatsächlich so. Sie bedauerte es, konnte aber nichts dagegen tun. »Das will ich nicht.«
»Aber du tust es.« Diesmal war er derjenige, der sich abwandte. »Und das hat ein einziger Telefonanruf fertiggebracht«, sagte Mitch nach einer Weile bitter.
»Mitch, bitte, versuch doch zu verstehen.«
»Das habe ich versucht.« In seiner Stimme war eine Schärfe, die sie bisher nie darin gehört hatte. »Dieser Mann hat dich verlassen, und das war schmerzlich. Aber es ist lange vorbei.«
»Es ist nicht der Schmerz.« Sie fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Oder nur zum Teil. Ich will das alles nicht noch einmal durchmachen, die Furcht, die Leere. Ich habe ihn geliebt. Ich mag dumm gewesen sein, und ich war sehr jung, aber du musst verstehen, dass ich ihn geliebt habe.«
»Das habe ich immer verstanden«, sagte er. »Eine Frau wie du macht keine leichtherzigen Versprechungen.«
»Nein, wenn ich welche mache, habe ich auch vor, sie zu halten.« Hester legte beide Hände um die Kaffeetasse, um sie warm zu halten. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich bemüht habe, aus meiner Ehe einen Erfolg zu machen. Als ich Allan heiratete, habe ich einen Teil meiner Persönlichkeit aufgegeben. Ich ging, wohin er wollte, ich tat, was immer er wollte, auch weil es leichter war, als sich ihm entgegenzustellen. Mein Zuhause, meine Familie, meine Freunde zu verlassen fiel mir außerordentlich schwer, aber ich tat es, weil er es verlangte. Mein ganzes Leben drehte sich um ihn. Dann, im Alter von zwanzig, musste ich entdecken, dass ich überhaupt kein eigenes Leben gelebt hatte.«
»Du hast aber dann für Radley und für dich ein Leben aufgebaut. Es mag am Anfang sehr schwer für dich gewesen sein, aber heute führt ihr ein Leben, auf das du stolz sein kannst.«
»Das bin ich auch. Aber es hat acht Jahre gedauert, bis ich festen Boden unter den Füßen hatte. Und nun bist du da.«
»Und nun bin ich da«, wiederholte er langsam und sah sie prüfend an. »Und du kannst dich
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