Liebesnacht mit einem Mörder
sie endlich an. »Verstanden. Sie sind fest entschlossen. Absolut. Danke.« Mit einem leicht nervösen Lächeln schob er das Mikrofon des Headsets an die Seite. »Hm, Lieutenant, was kann ich für Sie tun?«
»Jeremy Vandoren?«
»Ja.« Seine dunkelbraunen Augen blickten an ihr vorbei auf ihre Assistentin und dann wieder auf sie. »Bin ich in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
»Haben Sie denn etwas Verbotenes getan, Mr. Vandoren?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Wieder versuchte er zu lächeln, und in seinem Mundwinkel erschien ein kleines, verführerisches Grübchen. »Abgesehen von dem Schokoriegel, den ich im Alter von acht Jahren mal habe mitgehen lassen, fällt mir spontan nichts ein.«
»Kennen Sie Marianna Hawley?«
»Marianna, sicher. Erzählen Sie mir bloß nicht, Marianna hätte ebenfalls einen Schokoriegel geklaut.« Dann jedoch, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, schwand das unbeschwerte Lächeln aus seinem Gesicht. »Was ist los? Ist etwas passiert? Ist mit ihr alles in Ordnung?«
Er sprang von seinem Stuhl und blickte über den Rand der Stellwand, als erwarte er, Marianna dahinter zu sehen.
»Mr. Vandoren, es tut mir Leid.« Eve hatte auch nach Jahren noch keinen guten Weg gefunden, um diese schlimme Nachricht zu überbringen, und so sprach sie den grauenhaften Satz so schnell wie möglich aus. »Ms. Hawley ist tot. «
»Nein, das ist sie nicht. Nein«, beharrte er und starrte Eve mit seinen dunklen Augen an. »Das ist sie nicht. Das ist einfach absurd. Ich habe erst gestern Abend noch mit ihr geredet. Wir treffen uns um sieben zum Essen. Sie ist okay. Ihnen ist eindeutig ein Irrtum unterlaufen.«
»Es ist kein Irrtum. Tut mir Leid«, wiederholte sie, als er sie wie paralysiert ansah. »Marianna Hawley wurde gestern Abend in ihrer Wohnung ermordet. «
»Marianna? Ermordet?« Er schüttelte langsam den Kopf, als ergäben diese beiden Worte für ihn nicht den geringsten Sinn. »Das ist eindeutig falsch. Das kann nur falsch sein.« Er wirbelte herum und griff nach dem Hörer seines Tele-Links. »Ich werde sie auf der Stelle anrufen. Sie werden sehen, wie jeden Tag um diese Zeit ist sie im Büro.«
»Mr. Vandoren.« Eve legte eine Hand auf seine Schulter und drückte ihn auf seinen Stuhl. Für sie gab es keinen Platz zum Sitzen, und so hockte sie sich, um nicht von oben auf ihn herabsehen zu müssen, auf die Kante seines Schreibtischs. »Sie wurde anhand von ihren Fingerabdrücken und per DNA-Analyse identifiziert. Wenn Sie meinen, dass Sie es schaffen, hätte ich es gern, dass Sie mich begleiten und Sie persönlich identifizieren.«
»Persönlich…« Erneut sprang er auf und stieß dabei unsanft mit dem Ellenbogen gegen ihre immer noch nicht ganz verheilte Schulter. »Ja. Ich komme mit. Ich komme sogar ganz sicher mit. Weil sie es nicht ist. Es ist ganz bestimmt nicht Marianna.«
Das Leichenschauhaus war zu keiner Zeit ein froher Ort. Die roten und grünen Weihnachtskugeln sowie das hässlich goldene Lametta, die entweder von einem unverbesserlichen Optimisten oder aber von jemandem mit Sinn fürs Makabre unter der Decke und in den Türrahmen befestigt worden waren, verstärkten das Gefühl, als würde hier hämisch über den Tod gegrinst.
Eve stand wie schon allzu oft in ihrem Leben vor dem Fenster, durch das man in einen der Räume sah. Und spürte, wie ebenfalls schon allzu oft, fast körperlich den Schock des Mannes neben sich, als dieser den geliebten Menschen auf der anderen Seite dieses Fensters liegen sah.
Der Toten war eilig ein Laken übergeworfen worden. Damit Freunden, Verwandten und anderen, die sie liebten, wenigstens der Anblick ihrer jämmerlichen Nacktheit, der ihr mit dem Y-Einschnitt zugefügten Wunde und des abwaschbaren Stempels auf der Innenseite ihres Schenkels, der dem Opfer einen Namen und eine Nummer gab, erspart blieb.
»Nein.« Hilflos presste Vandoren beide Hände gegen die Scheibe, die ihn von seiner Liebsten trennte. »Nein, nein, nein, das kann nicht wahr sein. Marianna.«
Eve nahm ihn sanft am Arm. Er zitterte wie Espenlaub, ballte die Hände zu Fäusten und trommelte leicht gegen das Glas. »Nicken Sie nur, wenn Sie die Tote als Marianna Hawley identifizieren.«
Er nickte. Und begann zu weinen.
»Peabody, finden Sie ein leer stehendes Büro. Und holen Sie ihm ein Glas Wasser.«
Noch während Eve dies sagte, schlang er ihr die Arme um den Leib, presste sein Gesicht an ihre Schulter und sackte unter dem Gewicht der Trauer schlaff in sich
Weitere Kostenlose Bücher