Liebesnacht mit einem Mörder
Kostüm, einer falschen Augenfarbe, Schminke, einem falschen Bart und einer Perücke kann jeder aussehen wie der Weihnachtsmann. «
Vorläufig jedoch musste sie sich auf ihren Instinkt verlassen, und so sagte sie: »Er ist es nicht gewesen. Gucken wir, wo sie gearbeitet und was für Freunde und vor allem Feinde sie gehabt hat.«
Freunde, dachte Eve ein paar Stunden später, hatte Marianna beinahe im Überfluss gehabt. Feinde hingegen überhaupt nicht.
Das Bild, das von ihr gezeichnet worden war, war das einer glücklichen, umgänglichen Frau, die ihre Arbeit liebte, eine enge Bindung an die Familie hatte und trotzdem das Tempo und die Aufregung des Lebens in der Großstadt genossen hatte.
Sie hatte eine Reihe enger Freundinnen gehabt, eine Schwäche für ausgedehnte Einkaufsbummel, eine innige Liebe zum Theater und allen Befragten zufolge eine glückliche Beziehung zu Jeremy Vandoren.
Sie schwebte auf Wolke sieben.
Jeder, der sie kannte, hat sie unweigerlich geliebt.
Sie hatte ein offenes, vertrauensvolles Herz.
Auf der Fahrt nach Hause ging Eve die Aussagen von Freunden und Kollegen noch einmal gründlich durch. Niemand hatte etwas an Marianna auszusetzen gehabt. Nicht ein einziges Mal hatte Eve eine der gehässigen und häufig selbstgefälligen Bemerkungen zu hören bekommen, die so häufig von Lebenden über Tote fallen gelassen wurden.
Trotzdem hatte jemand etwas anderes gedacht, hatte jemand sie mit Berechnung, mit Sorgfalt und, falls das Blitzen seiner Augen etwas zu bedeuten hatte, mit einer gewissen Freude umgebracht.
Meine große Liebe.
Ja, jemand hatte sie genug geliebt, um sie zu töten. Eve wusste, dass es diese Art der kranken Liebe gab. Ihr selbst hatte einmal ein Mensch dieses alles beherrschende, verdrehte Gefühl entgegengebracht. Doch sie hatte überlebt, erinnerte sie sich und griff nach ihrem Link.
»Haben Sie inzwischen den toxikologischen Bericht über Marianna Hawley, Dickie?«
Auf dem kleinen Bildschirm tauchte das leidende, etwas füllige Gesicht des Laborchefs auf. »Sie wissen, dass wir in der Weihnachtszeit in Arbeit regelrecht ersticken. Die Leute bringen einander reihenweise um, und unsere Angestellten interessieren sich statt für ihre Arbeit nur noch für das bevorstehende Fest.«
»Ja, mir bricht das Herz. Trotzdem will ich den Bericht.«
»Und ich will endlich Urlaub.« Gleichzeitig jedoch rief er eine Datei auf seinem Computer auf. »Sie war betäubt. Mit irgendeinem milden Zeug, wie man es rezeptfrei in jeder Apotheke kriegt. Bei ihrem Gewicht hat die Dosierung höchstens zehn bis fünfzehn Minuten gewirkt.«
»Lange genug«, murmelte Eve.
»Wahrscheinlich wurde ihr das Zeug in den rechten Oberarm gespritzt. Muss in etwa dieselbe Wirkung gehabt haben wie ein halbes Dutzend Zombies: Benommenheit, Desorientierung, Muskelschwäche, vielleicht eine kurze Bewusstlosigkeit.«
»Okay. Irgendwelcher Samen?«
»Nein, wir haben keinen einzigen kleinen Soldaten in oder an ihr gefunden. Entweder hat er ein Kondom benutzt oder sie hat ein Verhütungsmittel genommen, das sie abgetötet hat. Das müssen wir noch prüfen. Der gesamte Körper war mit Desinfektionsspray eingesprüht. Selbst in ihrer Vagina haben wir Spuren davon gefunden, wodurch sicher ebenfalls ein paar der kleinen Krieger abgetötet worden sind. Wir haben effektiv nichts gefunden. Oh – eins noch. Die Schminke in ihrem Gesicht passte nicht zu der, die sie in ihrer Wohnung hatte. Wir haben die Untersuchung noch nicht zur Gänze abgeschlossen, aber das Zeug scheint ausschließlich natürliche Bestandteile zu haben, was heißt, dass es sicher superteuer war. Wahrscheinlich hat ihr Mörder die Sachen mitgebracht.«
»Nennen Sie mir so bald wie möglich die Namen der Produkte. Das ist eine gute Spur. Gut gemacht, Dickie.«
»Ja, ja. Ich wünsche Ihnen auch frohe Weihnachten.«
»Danke gleichfalls, Sturschädel«, murmelte sie, nachdem das Gespräch von ihr beendet worden war, ließ ihre angespannten Schultern kreisen und bog in die Einfahrt ihres Hauses ein.
Durch das winterliche Dunkel sah sie die hellen Lichter hinter den in den Zinnen und Türmen runden und in der untersten Etage bodentiefen Fenstern.
Zu Hause, dachte sie. Wegen des Mannes, der dieses Anwesen besaß, des Mannes, der sie liebte, des Mannes, der sie zur Frau genommen hatte, war dies ihr Zuhause. Auch Jeremy hatte Marianna ehelichen wollen.
Sie drehte mit dem Daumen den Ehering an ihrem Finger und stellte ihren Wagen am Fuß der
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