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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie brauchten nicht zu verhungern.
    »Es ist noch zu früh«, sagte Semjonow, nahm Ludmilla auf seine Arme und trug sie wieder zum Bett. Er legte sie auf die Bärenhaut und deckte sie mit vier aneinandergenähten Wolfsfellen zu.
    »Pawluscha!« schrie sie einmal. »O Pawluscha, ich sterbe! Sorge für das Kind, sei lieb zu ihm. Pawluscha! Oh! Es zerreißt mich, das Kind. Es spaltet meinen Leib.«
    Daß der Morgen dämmerte, sah er erst, als er aus der Hütte rannte, um einen Eimer Schnee zu holen und ihn aufzutauen. Über den Fluß fegte der Schnee mit dem Wind, und auf einer der Inseln, jetzt Hügel im Eis der Muna, saß ein kleiner, dicker Bär und fraß einen Fisch. Er mußte ihn aus einem der Löcher, die Semjonow ins Eis geschlagen hatte, mit den Tatzen geangelt haben.
    Der Morgen kam, der Mittag … Ludmilla lag mit halbgeschlossenen Augen, die Fäuste geballt. An den Schläfen traten bläulich die Äderchen hervor, und jedesmal, wenn eine Wehe kam, öffnete sie den Mund, aber sie schrie nicht, sie hatte keine Stimme mehr. Sie hauchte nur einen Schrei, der wie das Piepsen eines verletzten Vogels klang.
    Semjonow kniete neben ihr und küßte sie, hielt ihre Fäuste und ließ sich kratzen und schlagen und beißen, wenn die Preßschmerzen unerträglich wurden und Ludmilla um sich schlug wie ein sterbender Schwan.
    »Ludmilluschka«, stotterte Semjonow. »Mein Täubchen …«
    »Gib mir einen Strick. Bind ihn am Bett fest! Schnell … schnell …«
    Semjonow rannte und holte ein dickes Tau. Vom Bootssteg mußte er es holen. Er kämpfte sich durch den Schneesturm, kappte das Tau, taumelte zurück durch die pfeifende Schneehölle und kam ins Zimmer wie ein riesiger, tropfender Eiszapfen.
    »Um den Pfosten!« schrie Ludmilla und bäumte sich auf. »Bind ihn fest.«
    Semjonow schlang das Tau mit einem Schifferknoten um den hölzernen Pfosten und drückte Ludmilla das andere Ende in die Hände. Sie umklammerte das Seil, ließ es wieder los und sah Semjonow aus flatternden, halb irren Augen an.
    »Meinen Bauch!« keuchte sie. »Massiere meinen Bauch. Presse ihn, Pawluscha. Presse ihn!« Und dann brüllte sie wie ein Stier, ihre Augen wurden rot, und der Körper bäumte sich wie unter heftigen elektrischen Schlägen. Und keiner war da, der ihr eine Spritze geben konnte, der ihre Schmerzen linderte, der ihr die letzte, größte Qual nahm, als Blut und Wasser aus ihrem Schoß stürzten und der Kopf des Kindes sich langsam hervorschob.
    Über Semjonows Gesicht rann der Schweiß. Er drückte mit beiden Händen auf den prallen Leib, und als er den Kopf des Kindes hervortreten sah, stieß er dumpfe, ächzende Laute aus und zitterte wie im heftigsten Schüttelfrost.
    »Ah!« schrie Ludmilla. »Ah!« Sie ließ den Strick los; ihre Finger krallten sich in Semjonows Rücken, gruben sich tief in das Fleisch und rissen an ihm. Er spürte es nur als dumpfen Druck. Er kniete auf dem Bett und hatte beide Hände wie Schalen unter das Kind gelegt, das mit dem Blut hervorkam und dann auf seinen Armen lag, ein winziges, runzeliges Wesen mit zugekniffenen Augen und geballten Fäustchen und einem Köpfchen voller schwarzer Haarbüschel.
    »Das Kind«, stammelte Semjonow. »Unser Kind … schwarze Haare hat es … ein Mädchen … Unser … unser Kind …«
    Dann tat er, was er vorbereitet hatte. Er durchschnitt die Nabelschnur mit einer sterilen Schere, legte heiße Tücher auf den noch zuckenden Leib Ludmillas, trug das Kind zu den Schüsseln und badete es, und als er es hochhob, geschah das große Wunder des Lebens … Der kleine Brustkorb dehnte sich im ersten Atemzug, das Mündchen öffnete sich, und es ertönte ein dünner, aber heller Schrei, der Gruß eines neuen Menschen an diese Welt.
    »Es lebt«, heulte Semjonow. »Es atmet! Es schreit! Mein Kind lebt …«
    Er wickelte es in warme Tücher, legte es auf sein Bett, deckte es mit einem Fuchsfell zu und rannte zurück zu Ludmilla.
    Ihr Körper bebte noch in den Nachwehen, aber sie waren erträglich. »Massieren«, keuchte sie. »Immer weitermassieren … Es ist noch nicht zu Ende, Pawluscha. Mein armer Pawluscha …«
    Drei Tage später legte ein Motorschlitten aus Bulinskij an, um Ludmilla Semjonowa in das Krankenhaus zu holen.

12
    Vier Stunden rasten sie über das spiegelnde Eis der Muna, und vier Stunden lang tobte Semjonow gegen sich selbst, bis er heiser wurde und Willi Haffner ihm eine große, mit Fell überzogene Blechflasche voll Wodka an den Mund preßte und ihn zwang, zu

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