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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rückkehr in die Heimat! Ich verspreche es euch mit meinem Offiziersehrenwort!«
    An diesem Abend schmeckte den hundertzwanzig Lebenslänglichen das Essen wie Seifensuppe. Vor allem Peter Kleefeld war es, ein kleiner, schmächtiger Mann aus Westfalen, der immer wieder in seiner Suppe rührte und doch nichts aß, weil seine Kehle wie zugeschnürt war.
    »Was … was machen wir, wenn wir ihn wirklich sehen?« fragte er und sah sich im Kreis um. »Nun sagt doch mal was! Was machen wir? Auf die fünftausend Rubel scheiße ich … aber zurück in die Heimat. Kumpels … die Heimat …«
    »Wir werden die Schnauze halten, das ist doch klar.« Josef Much, der Lagerälteste, ein Bankbeamter aus Rinteln an der Weser, brockte Brotkrumen in seine Kohlsuppe, obwohl sie schon über den Rand des Kochgeschirrs quollen. »Wer so in die Heimat käme, der wäre doch ein Schwein, ein erbärmliches Schwein!«
    »Aber die Heimat, Jupp … die Heimat.« Peter Kleefeld umklammerte seine Blechschüssel und zitterte am ganzen Körper. »Ich habe drei Kinder … ich will doch einmal meine drei Kinder wiedersehen …«
    »Mensch, halt die Fresse!« schrie jemand aus dem Hintergrund. Ein Schuh flog durch die Luft und traf Kleefeld im Nacken. Er kippte nach vorn, und die Suppe lief ihm über Hose und Beine. »Dieser Karpuschin kann uns am Arsch lecken! Nach dem Essen wird der Tabak verteilt … Er reicht wieder für zwei Zigaretten pro Mann …«
    Am Abend fuhr Karpuschin wieder zurück nach Shigansk.

18
    Drei Tage später wurde die Kirstaskaja ins Lager gerufen. Major Kraswenkow schickte einen Jeep in das Krankenhaus von Nowo Bulinskij und ließ bestellen, es müsse eine dringende Operation gemacht werden. Der Verletzte sei nicht mehr transportfähig, und der Lagerarzt habe kein großes chirurgisches Besteck. Außerdem brachte der Bote, ein junger Rotarmist, einen Zettel des Lagerarztes mit.
    »Quetschung und Zertrümmerung des linken Oberschenkels durch fallenden Baum. Schlage Amputation vor. Da Schlagaderriß, nicht transportfähig. Bringen Sie bitte alles mit. Ich habe hier nichts! Dr. R. Langgässer.«
    Die Kirstaskaja zögerte keine Minute. Sie packte alles ein, was nötig war, von der Pinzette bis zum Kreislaufmittel, vom Tupfer bis zur Knochensäge. Ihr Gesicht glühte. Um zehn Jahre jünger sah sie aus. Ihre Augen leuchteten.
    Dann fuhren sie mit dem Pferdewagen wie der wilde Jäger durch Bulinskij in die Taiga. Borja lenkte die Pferdchen, und Ludmilla fuhr mit als Assistentin.
    Die große Stunde war gekommen.
    Katharina Kirstaskaja betrat das Lager der deutschen Lebenslänglichen. Der letzte Abschnitt ihres Schicksals begann, und es war gut, daß dem Menschen nicht die Fähigkeit gegeben ist, in die Zukunft zu sehen.
    Vielleicht wäre sie nicht gefahren … oder doch, erst recht, aus Trotz … Denn wer kennt sie wirklich richtig, die Katharina Kirstaskaja?
    Am Lagertor empfing sie der junge Leutnant Stepan Maximowitsch und brachte sie zu Major Wassilij Gregorowitsch Kraswenkow.
    Schon an der Tür der Kommandanturbaracke schlug ihr der süßliche Geruch von Äther entgegen.
    Major Wassilij Gregorowitsch Kraswenkow saß in einem breiten Schaukelstuhl, rauchte eine Pfeife, hatte sein Holzbein weit vorgestreckt und hörte aus dem Radio volkstümliche Gesänge. Wie ein gemütliches, liebes Großväterchen sah er aus, das den Rest seines Lebens im gepolsterten Stuhl verschaukelte, und so sprach er auch, als die Kirstaskaja eintrat.
    »Kommen Sie näher, Töchterchen!« rief er und winkte mit beiden Händen. »Hören Sie nur … der Chor der Garnison Leningrad singt. Einen Baß haben sie dabei, einen Baß. Wie eine Orgel! Das röhrt in der Tiefe, eine wahre Pracht ist es! An Schaljapin erinnert er mich! Jawohl! An Schaljapin! Und dabei ist er nur ein unbekannter Soldat in Leningrad! Töchterchen, welche riesigen Reserven bringt Rußland immer wieder hervor!«
    »Ich soll ein Bein amputieren?« fragte die Kirstaskaja. »Ich habe alles mitgebracht, Genosse Major.«
    Major Kraswenkow hörte mit dem Schaukeln auf und legte seine Pfeife auf einen kleinen Tisch. »Man sagt, Töchterchen, Sie seien ein Aas!«
    »Das mag sein.«
    »So schön sollte nur ein Engelchen sein. Aber wie Sie so dastehen, die Tasche in der Hand, mit einem Gesicht, als wollten Sie mich fressen … Es ist Ihnen wohl ein Herzensbedürfnis, einem Deutschen ein Bein abzusägen, was?«
    Major Kraswenkow wartete die Antwort der Ärztin nicht ab, sondern beugte sich vor. Aus dem

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