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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Radio erklang eine schwermütige Weise vom Don.
    »Da! Der Baß! Hören Sie nur, Töchterchen! Ist das eine Stimme?« Kraswenkow lehnte sich zurück, sein hölzernes Bein klapperte gegen das Holz des Schaukelstuhles. »Früher wollte ich auch einmal Sänger werden. Ich hatte eine gute Stimme! Und mein Bein haben sie in Küstrin in die Erde gebuddelt! Nun sitze ich hier am Ende der Welt und bewache Menschen, die genausowenig wissen, warum sie hier sind, wie ich. Wie schön ist da Musik … Dabei kann man vergessen. Lieben Sie Musik, Töchterchen?«
    »Sehr, Genosse Major. Aber wenn ich amputieren muß … im Flur habe ich schon Äther gerochen.«
    »Das ist Dr. Langgässer. Wissen Sie, Äther und Chlorkalk ist so ziemlich das einzige, was er genügend hat. Mit Äther macht er das Sterben leichter, und Chlorkalk über einen Toten verhindert Seuchen. Wir sind ein hygienisches Volk, Töchterchen.« Er stützte sich auf die Armlehnen des Schaukelstuhles, stemmte sich hoch und griff nach seiner Gerte. Im Flur standen Leutnant Stepan Maximowitsch und Ludmilla und warteten. Borja hatte draußen bei der ersten Sperre bleiben müssen, sosehr er auch tobte und schrie und beweisen wollte, daß er der erste Assistent der Ärztin sei.
    »Das Lazarett ist gleich nebenan«, sagte Kraswenkow und humpelte auf Katharina Kirstaskaja zu. »Nachher zeige ich Ihnen das Lager. Ein Musterlager ist es!«
    »Für den Sommer. Im Winter fliegen Sie davon, Genosse Major.«
    Kraswenkow blieb ruckartig stehen. »Das ist ein Witz, Töchterchen.«
    »Wo war das Lager zuletzt?«
    »Am Baikalsee.«
    »Dort mögen solche Baracken gut genug sein. Hier heult der Schneesturm bei fünfzig Grad Frost. In wenigen Stunden werden Sie alle Eiszapfen sein!« Die Kirstaskaja trat an das Fenster und zeigte hinaus. »Sehen Sie, dort baut man noch eine neue Baracke. Was soll es werden?«
    »Eine Werkstatt. Wir haben unter den Verurteilten Schmiede und Tischler, Schlosser und Dreher.«
    »Sie werden sich an ihren Werkzeugen festfrieren. Wände aus Brettern sind hier Unsinn … es müssen schon ganze Stämme sein. Haben Sie nicht die Häuser von Bulinskij gesehen? Und selbst in ihnen liegt man auf dem Ofen, wenn aus der Taiga der Sturm heult.«
    Major Kraswenkow schlug mit der Gerte gegen sein Holzbein und sah hinüber zu den deutschen Gefangenen, die die Barackenwände aufrichteten. »Das weiß man doch in Jakutsk«, sagte er gedehnt.
    »Natürlich.«
    »Und liefert uns solchen Dreck? O Töchterchen, morgen fahre ich zum Abschnittskommandanten. Ein Lied werde ich ihm singen, daß ihm die Hosenknöpfe abplatzen! Mir das, einem Helden des Großen Vaterländischen Krieges, der sein Bein in Küstrin gelassen hat! Ich bin verantwortlich für meine deutschen Lebenslänglichen, und es sind gute Kerle, glauben Sie es mir, Genossin Kirstaskaja!« Major Kraswenkow schlug wieder gegen sein Holzbein. Es war, als müßte er immer diesen hohlen Ton hören, um menschlich und nicht militärisch zu denken. »Morgen fahre ich, bei Gott! Und ich werde winterfeste Häuser bekommen, das können Sie Wassilij Gregorowitsch glauben! Hat dieser Karpuschin auch damit zu tun?«
    »Karpuschin? Nein!« Die Kirstaskaja spürte ein Brennen in der Kehle. »Sie kennen Karpuschin, Genosse Major?«
    »Flüchtig, flüchtig, Töchterchen.«
    »Vom Geheimdienst ist er.«
    »Dachte ich es mir doch.«
    »Und er ist ein Satan.«
    »Ein Schwein, Töchterchen, ein stinkendes Schwein ist er!« sagte Major Kraswenkow und humpelte in den Flur. »Ich möchte ihm aus dem Wege gehen, wo ich kann. Den Geruch, den er ausatmet, kann ich nicht vertragen. Ich bin ein Ästhet, Genossin, müssen Sie wissen. Ich liebe das Schöne.« Er blieb vor Ludmilla stehen und musterte sie. Ludmilla hatte das Tuch von den Haaren genommen, und die Sonne, die durch das Fenster flutete, übergoß ihr schwarzes Haar mit einem goldenen Schimmer. »Zum Beispiel hier!« Er zeigte mit der Gerte auf Ludmilla. »So ein Mensch ist doch ein Wunder, nicht wahr?«
    »Das ist Ludmilla, meine Assistentin«, sagte die Kirstaskaja schnell, bevor Ludmilla etwas sagen konnte. »Sie ist ein Eheweibchen. In Bulinskij verheiratet.«
    »Ein glücklicher Mann!« Kraswenkow tippte Ludmilla mit der Gerte gegen die Schulter. »Ist dein Mann glücklich, he?«
    »Sehr glücklich, Genosse Major«, antwortete Ludmilla und lächelte zaghaft.
    Am Ende des langen Flures öffnete sich jetzt eine Tür. Der Äthergeruch verstärkte sich. In den Flur trat ein

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