Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
nicht aus. Die Kirche von Nowo Bulinskij und Väterchen Alexeijs Popenhaus waren die am besten gepflegten Gebäude der kleinen Stadt.
    »Es war gut, daß wir nichts von Jakutsk erzählten«, sagte Semjonow zu der Kirstaskaja, als fünf Wochen vergangen waren und tiefer Frieden über Taiga und Lena lag. »Es wäre ein Zufall, wenn Karpuschin nach Bulinskij käme.«
    Die Kirstaskaja hob die Schultern und schwieg. Unser ganzes Leben ist Zufall, dachte sie bitter. Ich habe noch nie so gelebt, wie ich leben möchte. Ich war immer nur ein Produkt des Zufalls.
    Nach fünf Wochen wurde auch Willi Haffner nach Nowo Bulinskij zurückgebracht. Man hatte ihn wiederhergestellt, so gut es möglich war.
    Im Wald brachen Raupenroder aus Jakutsk eine Schneise in die Taiga, Planierfahrzeuge walzten eine Straße von der Lenastraße bis zu einer Lichtung, und als das geschehen war, sperrte man die neue Straße ab, legte zwei Schlagbäume an, errichtete Schilder: Betreten verboten! Militärisches Gelände! Es wird sofort ohne Anruf geschossen! und zog um ein großes Waldgebiet einen dreifachen Stacheldrahtzaun an vier Meter hohen Pfählen.
    »Was will denn das Militär hier?« fragte sich jeder, der vor den zwei Schlagbäumen und den Warnschildern stand. »Völlig nutzlos ist es, Brüderchen! Sollen sie hier die Bären bewachen?«
    Aber es wurde noch interessanter.
    Sieben zusammenlegbare Baracken wurden herangefahren und auf der Lichtung aufgestellt. Man machte es sich einfach. Ein paar dicke Steine in die Erde, darauf die Bodenbalken, und fertig war das Fundament. Dann schob man die Wände ineinander, doppelte Bretterwände, die man mit Glaswollmatten ausfüllte, und – da sich einige Bretter verzogen hatten – verschmierte die Ritzen mit Lehm. Dann kam das Dach, ebenfalls Bretter mit drei Lagen Dachpappe, und in jedem Dach waren drei Löcher für die Ofenrohre.
    Staunend standen die Sibiriaken herum und betrachteten den Aufbau der Baracken. »Die Ärsche werden sie sich abfrieren, die Brüderchen, die darin wohnen!« sagte jemand, und alle nickten. »Wenn der Schneesturm über sie kommt … o Genossen, welche Idioten bauen hier solche Häuser? Und was soll's überhaupt? Wer kommt hierher?«
    Die Männer an den Planierraupen wußten es selbst nicht. Sie hatten nur den Auftrag, den Taigaboden zu bewegen. Die Barackenaufsteller zuckten die Schultern. Die dämlichen Bretterbuden waren in Jakutsk ausgeladen worden. »Wir sollen sie aufrichten, mehr wissen wir nicht!« sagten sie und stimmten den Neugierigen zu, daß der erste Herbststurm die Baracken wegwirbeln würde wie trockene Blätter.
    Drei Wochen später kamen die Möbel.
    Holzbetten, zwei übereinander. Zehn Eisenbetten. Einfache Spinde. Drei Kochkessel, Schüssel und Pfannen. Tische und Holzhocker. Eiserne Öfen mit lackierten Ofenrohren. Eine Waschanlage wurde eingebaut. Und dann rollten vier Tage lang Lastwagen in das geheimnisvolle Lager und luden Kisten und Kästen und Kartons und Säcke ab.
    Der Dorfsowjet von Bulinskij war der erste, der kraft seines Amtes genaue Auskunft erhielt und sie aufgeregt in den Ort trug. Im Krankenhaus verkündete er die Sensation.
    »Ein Lager kommt zu uns!« rief er und trank erregt ein paar tiefe Schlucke Kwass. »Ein deutsches Kriegsgefangenenlager.«
    »Unmöglich!« Semjonow spürte, wie sein Herz plötzlich schwer wurde. Bis zu den Fingerspitzen lief ein Kribbeln. »Der Krieg ist fast zwanzig Jahre vorbei. Es gibt keine Plennys mehr …«
    »Aber was ich sage, Brüderchen! Ich weiß es vom Kommandanten selbst. Ein Major Wassilij Gregorowitsch Kraswenkow ist es, ein Held des Großen Vaterländischen Krieges. Er hat die Brust voller Ordensschnallen, der Gute. Nun aber ist er Kommandant des Lagers, denn er hat bei Küstrin ein Bein verloren und hinkt erbärmlich mit seiner Prothese. Seine Kommandantenbaracke hat er heute besichtigt. Wir haben uns gut unterhalten, Genossen. Morgen kommen die ersten Soldaten, und übermorgen sollen die deutschen Gefangenen eintreffen.«
    Die Kirstaskaja sah Semjonow verstohlen an. Auch Schliemann und Wancke hatten andere Gesichter bekommen. Wie sie sich verändert haben, dachte sie erschrocken und doch mit fast wissenschaftlichem Interesse. Vor fünf Minuten waren es noch Russen … jetzt sind es Deutsche, und es ist, als seien sie völlig fremd hier.
    »So etwas gibt es doch gar nicht«, sagte Semjonow in die lähmende Stille. »Zwanzig Jahre nach dem Krieg!«
    »Es sind Verurteilte!« rief der Dorfsowjet und

Weitere Kostenlose Bücher