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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Semjonow und sagte ohne Umschweife: »Karpuschin ist da!«
    Semjonow schwieg. Aber für Ludmilla war es wie ein Weltuntergang. »Nein!« flüsterte sie, als die Lähmung von ihr wich. »Nein! Nein! Das ist doch nicht wahr! Er ist doch tot! Sag, daß es nicht wahr ist …«
    »Es ist so«, antwortete Semjonow dumpf. »Seit Wochen weiß ich es. Er lebt in Jakutsk, mit Marfa Babkinskaja.« Er erhob sich, griff zum Gürtel und schnallte ihn um. An dem Gürtel hing in ihrem Lederetui die schwere Nagan. »Es ist soweit.«
    Ludmilla sprang auf und stellte sich ihm in den Weg, als er das Haus verlassen wollte. Auch die Kirstaskaja rannte ihm nach und hielt ihn am Rock fest.
    »Wo willst du hin?« schrie Ludmilla und zerrte an seinem Gürtel. »Wo willst du mit der Nagan hin? Du bleibst, hörst du! Du bleibst bei mir! Ich lasse dich nicht mehr aus den Augen, und wenn ich dich nachts an das Bett fessele! Es kann nur ein Zufall sein! Er kann nicht wissen, daß du hier lebst! Pawluscha … du darfst nicht gehen!«
    »Mach keine Dummheiten, Pawel Konstantinowitsch«, sagte auch die Kirstaskaja. »Was willst du erreichen?«
    »Er ist im Lager, sagen Sie?« Semjonow legte den Arm um Ludmilla und blickte über ihren Kopf hinweg zum Wald. »Gibt es eine bessere Gelegenheit? Südlich der Sowchose führt die Straße durch ein Stück Wald. Dort werde ich stehen und ihn erschießen.«
    »Bist du ein Mörder?« sagte die Kirstaskaja laut.
    »Ehe ich mich ermorden lasse …«
    »Noch ist es ein Zufall. Warten wir es ab.« Die Kirstaskaja griff mit beiden Händen zu und zog die Nagan aus dem Etui, ehe Semjonow sie daran hindern konnte.
    »Ich habe noch mein Gewehr!« rief Semjonow trotzig.
    »Es wäre eine große Dummheit, sich durch diesen Schuß zu verraten. Nach Karpuschin werden andere kommen und dich jagen, und sie wissen dann, wo sie dich zu suchen haben! Willst du das ganze Dorf in Gefahr bringen? Sie brennen es über unseren Köpfen ab, du weißt es!«
    Semjonow senkte den Kopf und ging ins Haus zurück.
    »Laß ihn nicht aus den Augen«, sagte die Kirstaskaja an der Tür zu Ludmilla. »Zum erstenmal habe ich Angst, daß ihn seine Klugheit verläßt! Paß auf ihn auf!«
    »Ich werde ihn nicht eine Minute allein lassen!« erwiderte Ludmilla. Sie schloß die Tür zweimal ab und steckte den Schlüssel in ihre Tasche.
    Um dieselbe Zeit etwa hielt Karpuschin einen kurzen Vortrag vor den deutschen Lebenslänglichen. Gleich nachdem er erfahren hatte, daß dieses Lager aufgebaut würde, war er nach Nowo Bulinskij gefahren. Sein Haß auf Semjonow hatte pathologische Formen angenommen. Nachts fuhr er jetzt öfter mit einem Fluch im Bett empor, ballte die Faust und schrie in die Dunkelheit: »Bleib stehen, du Hurensohn! Du entkommst mir nicht! Du entkommst mir nicht!« Dann war es immer eine große Mühe für Marfa, ihn zu beruhigen und ihn so lange zu liebkosen, bis er wieder einschlief.
    Im Lager war – wie überall, wo Karpuschin jetzt auftauchte – der Steckbrief Semjonows mit dem gezeichneten Kopf verteilt worden. Es war anzunehmen, daß die Mehrzahl der Blätter sich schon am Abend in der Latrine befand. Major Kraswenkow hatte gleich nach der Verteilung jemanden sagen hören: »Man sollte die Blätter vollscheißen und diesem Karpuschin ins Auto legen …«
    »Es ist anzunehmen«, rief Karpuschin mit dröhnender Stimme über die Lebenslänglichen hin, »daß dieser Semjonow sich im Wald verborgen hält. Wenn ihr ihn seht, nehmt ihn fest oder tötet ihn … auf Semjonows Kopf sind fünftausend Rubel ausgesetzt, und ich persönlich, General Karpuschin aus Moskau, garantiere demjenigen, der Semjonow abliefert, eine sofortige Rückkehr in die deutsche Heimat …«
    Über das Lager der Lebenslänglichen senkte sich bedrücktes Schweigen.
    Zurück in die Heimat. Für einen Verrat.
    Karpuschin überblickte die kahlgeschorenen Schädel. Er spürte, was diese hundertzwanzig Männer jetzt dachten, und er schlug die Wunde tiefer, damit sie um so heftiger blutete.
    »Es ist kein Verrat an einem Kameraden, nein!« rief er laut. »Dieser Heller-Semjonow ist ein Spion, der den Frieden stört! Er ist einer der Gefährlichen im Hintergrund, die die Voraussetzungen schaffen, daß in einem dritten Krieg eure Kinder und Frauen ausgelöscht werden! Ein Verbrecher ist er! Eine Gefahr für uns alle … auch für euch! Darum kennt kein Erbarmen, wenn ihr ihn im Wald aufstöbert. Jagt ihn wie einen Wolf! Fünftausend Rubel, deutsche Kriegskameraden – und

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