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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die blitzenden Instrumente strichen. Jetzt ist er weit weg, dachte sie. Irgendwo in Deutschland, in einer Klinik. Er sieht sich im weißen Mantel am blitzenden OP-Tisch stehen, über sich die vielstrahligen Operationsscheinwerfer, die Sterilisatoren brummen, der Anästhesist reguliert gerade den Sauerstoffgehalt, die OP-Schwester wartet am Instrumententisch, der erste und der zweite Assistent stehen bereit.
    Eine verlorene Welt, mein Lieber. Eine tote, für immer tote Welt. Ein Lebenslänglicher bist du! Hier, in Rußland, vielleicht in der Taiga von Bulinskij, wirst du sterben … in diesem Winter wahrscheinlich, wenn keine anderen Baracken kommen. Du wirst an deinem weißlackierten Operationstisch erfrieren. Und deine bernsteinfarbenen Augen werden wie seit zwanzig Jahren fragen: Warum? Warum? Warum? Und keiner gibt dir Antwort, keiner. Denn wer weiß es …?
    Katharina Kirstaskaja wusch sich besonders lange, um Dr. Langgässer die stillen Minuten an den Instrumenten zu gönnen. Major Kraswenkow war wieder hinausgegangen. »Ich möchte nicht zusehen, wie man mir einmal das Bein abgesägt hat!« sagte er und humpelte zur Tür. »Ich weiß nur, daß ich aus der Narkose aufwachte, und mir juckte die große Zehe, wo gar keine mehr war. Das ist eine verteufelte Sache, Brüder: Man spürt etwas und sieht's nicht mehr!«
    Dr. Langgässer hatte in der Zwischenzeit ein Narkosemittel injiziert und die selbstgebastelte Ätherhaube vom Gesicht des Verletzten genommen. Nun sah man sein Gesicht. Ein erschreckend vergreistes Jungengesicht … der Mund eines Kindes und darüber die schütteren, schon weiß werdenden Haare eines alten Mannes. Dr. Langgässer kontrollierte Atmung und Puls, als die Kirstaskaja mit ihrer Waschung fertig war und an den lackierten Tisch herantrat.
    »Können wir?« fragte sie steif.
    »Ja, Kollegin.«
    Im Operationszimmer waren die letzten Handgriffe getan. Zwei Gefangene trugen den nun einbeinigen Kameraden hinaus in ein Nebenzimmer, wo er in ein weißes Eisenbett gelegt wurde. Blutbeschmiert standen sich Dr. Langgässer und die Kirstaskaja gegenüber und zogen sich die Gummihandschuhe aus.
    »Sie operieren blendend, Kollegin«, sagte er.
    »Danke.« Katharina Kirstaskaja warf ihre Gummischürze ans Waschbecken, wo sich Ludmilla die Hände abseifte. »In der Klinik in Irkutsk sagten wir nach einer Operation immer: Jetzt eine Zigarette.« Sie sah auf ihre Hände. Sie waren blutig. Die Gummihandschuhe mußten während der Operation beschädigt worden sein. Sie hatte es nicht gemerkt, sie hatte immer nur auf die langen, schlanken, schnell und sicher arbeitenden Hände Dr. Langgässers gesehen.
    »Das wäre schön, wirklich!« sagte Dr. Langgässer.
    »Greifen Sie in meine rechte Rocktasche. Da ist eine Schachtel mongolischer Zigaretten.« Sie hob die Arme, und Dr. Langgässer faßte in ihre Rocktasche.
    Bei der Berührung seiner Hand mit ihrem Körper durchzuckte sie ein Flimmern, bis hinauf unter die Haare. Ihre Augen bekamen einen gehetzten, wilden Ausdruck, wie ein Tier, das selbst in der Flucht keinen Ausweg mehr sieht.
    »Ich habe sie«, sagte Dr. Langgässer. Auch seine Stimme hatte einen fremden Klang. Er hob die Schachtel hoch, öffnete sie und zog eine der goldgelben, süßlich riechenden und schmeckenden Zigaretten heraus. »Herzlichen Dank, Kollegin.«
    »Rauchen Sie mir eine an?« Die Kirstaskaja wandte sich brüsk ab. »Ich muß meine Hände noch abspülen.«
    Als sie wenig später die Zigarette von Dr. Langgässer nahm und zwischen die Lippen steckte, hatte sie sich wieder gefangen. Sie lehnte sich gegen das Fenster und blickte sich um, als sehe sie das Zimmer erst jetzt mit vollem Bewußtsein.
    »Warum sind Sie eigentlich ein Lebenslänglicher?« fragte die Kirstaskaja. Dr. Langgässer fuhr zusammen, die Zigarette zitterte in seiner Hand. Er sog ab und zu an ihr wie ein Säugling an seinem Schnuller und inhalierte den Rauch mit halbgeschlossenen Augen. Zum erstenmal rauchte er eine mongolische Zigarette, und es war ihm, als rauche er Opium. Die Welt um ihn herum wurde leichter.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er leise.
    »Unsinn! Sie wurden verurteilt, weil Sie dem russischen Volk einen Schaden zugefügt haben, weil Sie ein Verbrecher gegen unser Volk sind.«
    »Fast genauso redete der Ankläger.« Dr. Langgässer sog wieder an seiner Zigarette. »Als ich in Gefangenschaft kam, war ich fünfundzwanzig Jahre alt. Ich hatte gerade mein Staatsexamen, und es war mein erster militärischer

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