Liebessterne ueber Nizza
Dampf ablassen.“
Dampf ablassen! Mehr hatte es ihm nicht bedeutet?
Natürlich nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Er ist Nialls Bruder – Daisys Onkel . Mehr nicht.
„Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest …“ Der alte Spott zeichnete sich wieder in seinen Zügen ab, auch wenn seine raue Stimme und der unergründliche Blick nicht so recht dazu passen wollten. „So gern ich auch bleiben und dieses nette kleine Zwischenspiel zu seinem natürlichen Ende bringen würde, muss ich doch wieder an die Arbeit.“ Allerdings verlangte ihm das mehr Selbstdisziplin ab, als er vermutet hatte. Die Alternative wäre gewesen, zu bleiben und Siennas Vermutung zu bestätigen. Dabei hatte er sich immer eingeredet, dass er die Frau seines Bruders nicht begehren würde. „Außerdem habe ich noch nie im Zorn Sex gehabt und will jetzt nicht damit anfangen.“
Mit einer kräftigen Bewegung seiner Arme stieß er sich mühelos vom Beckenrand nach oben, und Wasser strömte von seinem prächtigen Körper.
Als er davonging, musste Sienna ihm einfach nachschauen: Das Hemd klebte an seinen breiten Schultern und betonte jeden Muskel, die Hose hatte sich den Konturen seines knackigen Hinterns und der kräftigen Schenkel genau angepasst. Der Anblick versetzte ihr einen Stich und ließ das unerfüllte Verlangen erneut aufkeimen.
Was war bloß in sie gefahren? Ihr Benehmen würde seine Vorurteile, was für eine Sorte Frau sie war, nur bestätigt haben.
Er war ein Mann, der sich immer unter Kontrolle hatte. Das musste sie ihm zugestehen, während sie die Geschmeidigkeit bewunderte, mit der er sich bewegte und ein Handtuch von einer der Sonnenliegen nahm, um sich damit lässig die Haare zu trocknen. Und er war ein Mann, der stets die Konsequenzen seiner Handlungen genau abwog. Ein Mann von erstaunlicher Charakterstärke. Er hielt an seinen Prinzipien fest. Diese Erkenntnis und der Nachhall seiner Worte, er würde nie Sex im Zorn haben, verursachten einen unerklärlichen Schmerz in Siennas Innerem.
„Wie geht es dir?“, fragte Sienna, die sich fest vorgenommen hatte, möglichst freundlich zu ihrer Schwiegermutter zu sein, als sie die alte Dame an ihrem Lieblingsplatz auf der großen Terrasse antraf. Sie setzte sich auf den eleganten Stuhl neben ihr. Daisy schlief bereits, und Conan war schon den ganzen Tag unterwegs. Eigentlich hätte sie erleichtert darauf reagieren sollen, aber seine Abwesenheit traf sie empfindlich.
„Ich glaube, besser als heute wird es mir wohl nie mehr gehen“, antwortete Avril. „Die Ärzte wissen nicht, was mit mir los ist. Unfassbar, nicht? Conan zahlt ihnen ein Vermögen, und sie können einfach keine Diagnose stellen. Einer meinte jetzt, es handele sich um chronische Erschöpfung …“
„Kannst du denn nichts machen? Ein paar leichte Übungen vielleicht?“ Aus den Kommentaren, die Conan über den Zustand seiner Mutter gelegentlich fallen ließ, hatte Sienna herausgehört, dass er sich wünschte, sie würde gegen ihre Krankheit angehen.
„Übungen? Das ist heutzutage immer die Lösung, die euch jungen Leuten einfällt“, bemerkte Avril verächtlich.
Offensichtlich wollte sie sich über Siennas Beruf lustig machen. Für einen Moment fühlte sich Sienna in vergangene Zeiten zurückversetzt. Wieder war sie das schüchterne, unsichere Mädchen, das sich wie ein Eindringling in der Familie ihres Mannes vorkam. Doch sie wollte sich davon nicht unterkriegen lassen, schließlich verfügte sie über langjährige Erfahrung als Fitnesstrainerin und hatte schon mit alten und kranken Menschen gearbeitet. „Das ist die Lösung für viele Dinge“, antwortete sie deshalb.
„Nicht in meinem Fall. Obwohl mich deine Besorgnis tatsächlich überrascht.“
Die alten Feindseligkeiten sind immer noch vorhanden, erkannte Sienna. Zumindest, was Avril betraf.
„Ich ertrage es eben nicht, einen Menschen leiden zu sehen.“ Sie wischte eine Blüte von ihrem weißen Rock, den sie mit einem blauen Bolerojäckchen kombiniert hatte. „Besonders, wenn man seine Gesundheit wiederherstellen kann.“
Avril lachte schwach. „Meine Gesundheit kann man nicht wiederherstellen.“
„Das ist nicht wahr“, entgegnete Sienna bestimmt.
Avril war erst fünfundsechzig Jahre alt, und Sienna fragte sich, ob die Depressionen und die kräftezehrende Krankheit ihr nicht den Lebensmut genommen hatten. Auch musste sie feststellen, wie ähnlich sich Niall und seine Mutter in dieser Beziehung doch waren. Denn der jüngere Sohn
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