Liebesvisitation (German Edition)
sie die Sprache beherrschte, konnte sie es lesen.
Francis war sehr an Sprachen interessiert, deshalb arbeitete sie auch häufig als Au-pair-Mädchen.
Achim und Francis flirteten von Anfang an so heiß, wie mit Feuerzungen, die vom Himmel regneten.
„Ich bin nach allen Seiten offen Achim und kann fließend französisch.“
„Ich stehe immer für dich ein Francis.“
Die Hochzeit war die letzte Begegnung mit ihrem alten Freundeskreis. Singles konnten Paare schlechte ertragen, und Francis und Achim waren ein Paar, das jeder schlecht ertragen konnte. Es konnte einem passieren, dass man mit einem von beiden redete, und sie urplötzlich damit anfingen sich gegenseitig abzuknutschen. Jeder, der schon mal mit einem knutschenden Paar geredet hat weiß, wie doof man sich vorkommt, wenn man gegen diese Kusswand anredet. Dann wird man vom Gesprächspartner plötzlich zum Voyeur, um es mal wieder französisch auszurücken.
Teil ihrer Clique war auch Stefan. Doch Stefan war tot. Er hatte sich vor einen Zug gestellt.
Manche sagen, er hätte es sich noch einmal anders überlegt, wenn er noch soviel Zeit gehabt hätte wie üblich. Denn der Zug kam sonst immer zehn Minuten zu spät. An diesem Tag kam er aber pünktlich, und Stefan hatte keine Zeit mehr es sich anders zu überlegen.
Warum sich Stefan umgebracht hatte war allen klar. Die große Liebe seines Lebens wollte nichts von ihm wissen.
Er hatte sie über den Computer kennen gelernt. Nicht übers Internet, nein. Über ein Computerspiel. Genau genommen war sie die Hauptfigur des Computerspiels. Es war Pink Lucy, die rothaarige Heldin des Computerspiels, die man durch eine mittelalterliche Zauberwelt steuern musste.
Stefan war sich sicher, dass hinter dieser Figur eine wundervolle, poetische Programmiererin stecken musste, welche die gleichen Eigenschaften hatte wie ihre Hauptfigur. Sai Wong hieß sie. Stefan machte ihre Adresse ausfindig und machte sich auf den Weg zu ihr. Sie wohnte in München. In einer Mietswohnung. Stefan fuhr mit der S-Bahn nach Schwabing zum Mietshaus, ging die Treppe nach oben in den zweiten Stock. Dort war das Türschild: Sai Wong. Er klingelte zweimal. Er wartete. Jemand näherte sich von innen der Tür. Die Tür ging auf…Ein fetter Japaner blickte ihn an.
„Sai Wong?“, fragte Stefan mit belegter Stimme.
„ Jaaa . Was willst du man?!“
Michael reichte ihm notorisch die Blumen. Sai Wong nahm sie und schmiss sie hinter sich in einen Treteimer.
„Aber ‚Pink Lucy‘.“
„Auch ein fetter Mann hat Fantasien. Was dagegen? Und jetzt verpiss dich du Penner!“
Stefan lief weinend das Treppengeschoss nach unten.
„Rotz mir nicht die Bude voll!“, rief Sai Wong ihm hinterher.
Das war der Anfang vom Ende.
Jedenfalls trafen sich die Verbliebenen in ihrem Stammkaffee. Albert versuchte immer so mittelzeitig zu kommen. So, dass er nicht der Erste war. Es war ihm unangenehm den Kellner nach dem reservierten Tisch zu fragen, weil Christian immer unter irgendeinem dummen Namen reservierte, wie beispielsweise beim letzten Mal unter dem Namen „Hodenlecker“.
Andererseits mochte Albert nicht als Letzter kommen, denn dann blickten ihn immer alle so blöd an. Bildete er sich jedenfalls ein.
Als Erste kam Judith. Das war gut. Judith konnte jede noch so blöde Situation souverän meistern. Sie verlor auch die Fassung nicht, als sie erfuhr, dass Christian diesmal unter dem Namen „Swingerclub“ reserviert hatte.
Als nächstes kamen Markus und Thomas, die schimpfend das Lokal betraten. Sie kabbelten sich jedes Mal miteinander. Es ging eigentlich immer um dasselbe. Wie sehr es Thomas störte, dass Markus immer überall auffallen musste. Gerade dieses Streites wegen, lenkten sie jetzt aber die ganze Aufmerksamkeit des Lokals auf sich.
Dann kam Christian. Schließlich Ralf, Frank und Anna.
Albert saß gegenüber von Judith. Er spielte mit dem Gedanken sie anzufüßeln, aber er traute sich nicht. In der Vorstellung war das durchaus vorstellbar, und auch die Vorstellung es zu tun, kam ihm nicht sonderlich explizit vor. Aber es wirklich zu tun, war eine unüberwindbare Hürde. Zu sagen wusste er auch nichts rechtes, so lauschte er den Gesprächen der Anderen.
„Wann wird es von dir eigentlich mal wieder einen Film geben?“, fragte Judith an Thomas gewandt.
„Sobald sich meine Popularität gelegt hat. Heißt: Sobald mein schlechter Ruf verwirkt ist“, antwortete dieser.
Thomas hatte früher Spielfilme gemacht, aber seine
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