Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
Gefühlen. Was sie hier wollte, war ihr nicht genau bewusst, doch
eins stand fest: Sie machte sich Sorgen und das zurecht.
Herr Anderson grüßte sie freundlich. Er war sichtlich erleichtert,
dass sich jemand nach seinem Sohn erkundigte.
„Neal ist im Stall, bei den Pferden“, erklärte er. „Schön, dass du
ihn besuchen kommst. Vielleicht spricht er mit dir?“ Er seufzte.
„So still habe ich ihn noch nie erlebt. Es sind Ferien, und er sitzt
den ganzen Tag nur herum und träumt.“ Fragend sah er Cecile an.
„Weißt du vielleicht, was ihn bedrückt?“
Sie ahnte, was ihren Schulfreund bewegte, doch wagte sie nicht,
ohne Neals Erlaubnis, etwas zu sagen. „Ich kann nicht darüber
sprechen, wenn Neal selbst nicht möchte. Es tut mir leid.“
Sie betrat den großen Stall. In der hintersten Box fand sie Neal. Er
saß im Heu. Auf seinen Beinen ruhte ein kleines Fohlen.
„Hallo“, grüßte sie zaghaft.
„Hi!“ Neal fuhr sich rasant über das Gesicht, als wolle er
zurückgebliebene Tränen wegwischen. Seine Hautfarbe war
entsetzlich blass. Dunkle Augenringe zierten sein schmales
Gesicht.
Cecile setzte sich zu ihm ins Heu. Neugierig betrachtete sie das
kleine Fohlen auf Neals Beinen.
„Was ist mit ihm?“
„Seine Mutter will es nicht“, erklärte Neal. „Ich pflege es. Es ist
sehr schwach.“
Cecile nickte verständnisvoll. Zum erneuten Male wurde ihr
bewusst, wie sensibel Neal doch war.
„Es geht dir schlecht, seitdem Dirk weg ist, stimmt’s?“ fragte sie
zögernd.
Sofort verdunkelte sich Neals Gesicht. Cecile hatte direkt „ins
Schwarze“ getroffen.
„Soll ich mich etwa freuen, dass er mich sitzen gelassen hat?“
Neal konnte seiner Schulfreundin nicht in die Augen sehen. „Er
hat mich verlassen, ohne vorher etwas zu sagen. Weißt du, wie
sich das anfühlt?“ Verbittert schloss er die Augen. Er konnte keine
weiteren Worte fassen, so tief saß der schmerzende Verlust.
„Er hat sicher nichts gesagt, weil er dir nicht weh tun wollte“,
entgegnete Cecile. Es war die einzige Erklärung, die sie parat
hatte. „Er war sicher genauso traurig wie du.“
Neals Gesicht blieb versteinert. „Das entschuldigt nichts!“, sagte
er wütend. All sein Frust kam nun zum Vorschein.
„Klammheimlich hat er sich aus dem Staub gemacht. Und was ist
mit mir?“ Er lachte gekünstelt. „Ich werde versetzt, mit einem
Zeugnis, dessen Noten vorne und hinten nicht stimmen, weil Dirk
seine Hände mit im Spiel hatte.“
Verzweifelt sah er Cecile an.
„Er hat dafür gesorgt, dass ich Freunde finde, dass mich Dennis in
Ruhe lässt. Und was ist mit ihm? Er ist weg. Lässt mich alleine!“
Neal schluchzte. Sein Kopf senkte sich. Die langen Haare
bedeckten sein Gesicht. Als wolle er alleine sein, schob er nun
auch das Fohlen von sich. Cecile hatte ihn noch nie so verzweifelt
gesehen.
„Er hat es sicher nicht so gewollt.“ Sie versuchte ihn zu trösten,
was in keiner Weise einfach war.
„Er hat mein ganzes Leben versaut!“, schrie Neal plötzlich. In den
hinteren Boxen wieherten die Pferde erschrocken. „Ich war doch
mit ihm glücklich, und nun? – Sitze ich hier mit Liebeskummer –
wegen eines Mannes!“ Neal tippte sich an den Kopf, als wolle er
beweisen, dass diese Situation absolut bescheuert war. „Er kommt
nie mehr zurück!“
Verzweifelt sah er sich um. „Ich weiß nicht mal, ob ich wirklich
schwul bin!“ Er lachte über sich selbst. „Er hat mich zu etwas
gemacht, was ich vorher nicht war. Und nun ist er weg.“
Cecile sah ihn erstaunt an. „Du glaubst, du bist gar nicht schwul?“
Neal zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht hat sich
die Natur nur einen Scherz mit mir erlaubt?“
„Du wirst einen Weg finden.“ Cecile klang zuversichtlich. „Du
hast genug Leute, mit denen du reden kannst!“
Sofort schüttelte Neal den Kopf. „Ich rede mit niemandem
darüber.“
„Du machst das schon!“ Sie erhob sich aus dem Heu. Dass sie
Neal momentan nicht weiter helfen konnte, war offensichtlich.
Und dieser wechselte dann auch glücklicherweise das Thema.
„Du bist ja auch bald nicht mehr da!“ Es klang vorwurfsvoll.
„Lässt mich auch alleine, wechselst die Schule. Finde ich auch
nicht nett!“
Cecile seufzte. Mit so einer Reaktion hatte sie gerechnet, doch sie
konnte ihre Entscheidung längst nicht mehr rückgängig machen.
„Du wirst gar nicht merken, dass ich weg bin“, sagte sie tröstend.
„Nach den Ferien wirst du schon genug um die Ohren
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