Liebling, Ich Kann Auch Anders
es ahnen konnte, zu einem neuen Konflikt zwischen Vater und Sohn.
Nach der Benefizveranstaltung gab es noch eine Party, bei der die Zirkusleute mit den geladenen Gästen feierten. Thomas, der hellauf begeistert war, ließ sich die Chance nicht entgehen, nach Evas Kontaktanbahnung mit einigen der Artisten zu plaudern, um endlich all das zu erfahren, was ihn schon so lange interessierte.
Am nächsten Tag eröffnete er dann seinen Eltern, er wolle Artist werden. Da wäre es das Beste, eine Zirkusschule zu besuchen und zwar auf jeden Fall vor seinem vierzehnten Geburtstag. Francis stimmte der Gedanke, ihren Sohn in absehbarer Zeit nicht mehr täglich sehen zu können, sehr traurig, aber sie wollte den Jungen nicht seiner Illusionen berauben. Ganz anders jedoch Magnus. Er poltert wie ein Besessener herum, brüllte Thomas an und wütete gegen Eva, die er nicht ganz zu Unrecht als Urheberin des irrsinnigen Hirngespinsts, wie er es bezeichnete, ansah.
Magnus hatte anscheinend bereits im Detail die Zukunft seines Sohnes geplant: Abitur, BWL-Studium et cetera – eine glorreiche Karriere in einer karriereträchtigen Position, die der Vater über seine zahlreichen Kontakte für ihn ausfindig machen würde.
Natürlich ersparte er Giulia am Telefon nicht die drastische Schilderung seines Ärgers mit der verhassten Cousine, verschwieg ihr nicht einmal seine Mordlust. Sie versuchte, ihn zu besänftigen, appelliert mit ihrem bewährten Akzent an sein Mitgefühl für die arme einsame Frau und seine Verantwortung als Vater: »Sei nicht so egoistisch, deine Kinder nur als Vehikel für deine eigene Unsterblichkeit zu betrachten! Du hast ja sicher auch schon früh versucht, dein Leben nach deinen und nicht ausschließlich nach den Vorstellungen deiner Eltern zu gestalten.«
Während solcher Momente empfand Giulia gegenüber Marcel erhebliche Skrupel. Sie wusste so viel über ihn – seit Kurzem noch weit mehr – und sie konnte ihn mit ihrem Wissen nach Herzenslust verblüffen oder manipulieren. Das war hochgradig unfair! Aber dann rief sie sich ins Bewusstsein, dass er mit einer für ihn völlig Fremden sprach und nebst allerhand Zärtlichkeiten und süßen Versprechen, die er in ihr Ohr hauchte, auch noch Familieninterna ausplauderte. Da schrumpften ihre Skrupel augenblicklich.
28
»Warum kannst du nicht endlich auf anständige Weise aus meinem Leben verschwinden?«, fragte Magnus, als er Eva allein auf der Treppe zum See antraf.
»Weil du dich nicht auf anständige Weise aus dem meinigen verabschiedet hast!«
»Du bist verrückt. Machst alles kaputt. Ruinierst mein Leben. Ich ertrage es nicht mehr, dich zu sehen!« Seine Augen blitzen gefährlich und Eva hielt es für das Beste, die Sache zu ironisieren.
»Was? So schlimm sehe ich aus?«
»Quatsch! Es ist ja nicht, weil ich dich abstoßend fände – das leider nicht.«
»Aha?«
»Ich will dich nicht mehr sehen, weil ich Angst habe, die Kontrolle über mich zu verlieren. Wenn du mir über den Weg läufst, dann hab ich nur einen Gedanken: Ich will dich packen, in die Knie zwingen, demütigen, mich über dich hermachen. Immer und immer wieder! Ganz primitiv. Archaisch. Männlich. Du bist eine permanente Provokation für mich. Der Urtyp von Weib. Die Ur-Eva, wie ich sie sich wohl jeder echte Mann erträumt.«
Dieses Geständnis berührte Eva auf seltsame Art. Fast empfand sie Mitgefühl für ihn. Wegen seiner unvermuteten Offenheit und weil er sich in dem Moment als Mensch präsentierte, der absolut nicht Herr seiner Sinne war. Für einen Augenblick empfand sie sogar ein schlechtes Gewissen wegen des Spiels, das sie mit ihm trieb. Doch das erlosch sofort, als sie sich vergegenwärtigte, dass er seine Spielchen ja vermutlich ziemlich wahllos mit allen trieb, die sich auf das virtuelle Geplänkel mit ihm einließen. Ihre letzten Skrupel verflüchtigten sich, als er weiterredete. »Wenn ich dich nie mehr gesehen hätte, könnte ich mir einreden, es sei nur sexuelle Obsession gewesen und du irgendeine unbedeutende laszive Figur, ein Spielzeug für ein paar erotische Stunden. Aber dann drängst du dich in meine Familie und beweist mir fast stündlich, dass ich ein Idiot bin, den keiner wirklich braucht oder respektiert. Meine Frau hast du erobert, meine Kinder, ja selbst der Hund kann dich inzwischen besser leiden als mich! Es ist zum … Ach, ich könnte dich …«
Höchst bemüht um Contenance – vor allem um des Familienfriedens willen – erwiderte sie ruhig:
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