Liebling, Ich Kann Auch Anders
»Magnus, du redest dir da so allerhand ein. Francis schätzt dich sehr wohl und die Kinder tun es auch. Der Hund ebenfalls – innerhalb seiner Grenzen. Aber Menschen und Tiere legen eben Wert darauf, dass sie beachtet und in ihrer Art respektiert werden. Du bist jedoch nur dann freundlich, wenn alle nach deiner Pfeife tanzen und würdigst die Qualitäten und Wünsche der anderen so gut wie gar nicht. Zumindest jedenfalls nicht wahrnehmbar. Klar gehst du mit den Kindern zum Tennis. Aber du tust das, weil es dein Hobby ist. Alles, was sich außerhalb deiner Prioritätenliste abspielt, ignorierst du oder machst dich darüber lustig. Kinder und pubertierende Jugendliche schätzen Ironie aber nicht besonders – vor allem dann nicht, wenn sie ernst genommen werden wollen.«
»Na bitte, sag’s mir nur! Ich mache alles falsch, ich bin ein Vollidiot. Meine Mutter wusste es schon immer: Buben sind nur bis zum Eintritt der Pubertät Menschen – danach sind Männer nur noch Ärgernisse.«
»Lass bitte die gestörten Ansichten deiner Mutter aus dem Spiel! Damit machst du dich doch immer wieder aufs Neue selber fertig. Was ich allerdings persönlich doch ganz gern wüsste: Du sagst, dein Interesse an mir habe nur meinem Körper gegolten. Aber was war dann mit unserer Korrespondenz?«
»Amüsant und geistreich. Ich habe es genossen! Aus meiner Sicht ein wunderbar niveauvolles Balzritual. Ich war scharf auf dich von dem Moment an, als ich deine Annonce gelesen hatte. Ariadne! Kannst du dir vorstellen, was der Name für einen Jungen bedeutet, der von Priestern in humanistischer Bildung ersäuft wird? Ich paukte mit Freuden griechische Vokabeln, um die einschlägigen Heldensagen übersetzen zu können. Ich war Herakles, Perseus, Odysseus und vor allem Theseus! Ich verliebte mich an seiner Stelle in Ariadne, die mir zu Willen war, um sich für ihre Befreiung zu bedanken. Ob bei Homer oder bei Ovid – die Geschichte hat mich immer fasziniert. Aber sie war kurz und nahm ein trauriges Ende für die Schöne … – Also lass es dir eine Warnung sein!«
Eva ignorierte seinen Einwurf. »Ach ja, bei Homer wird sie von Artemis getötet, weil sie ihrer Bestimmung zuwider handelt.«
»Genau. Sie hat sich gegen den Willen der Götter mit Theseus eingelassen, das laszive Stück.«
»Und bei Ovid lässt Theseus sie auf Naxos sitzen, der fiese Sack, wo sie dann fast in Tränen zerfließt?«
»Ja, ja, ja – aber nur kurzfristig. Ihr Frauen arrangiert euch schnell mit den Gegebenheiten. Sie heiratet Dionysos. Und der ist ja bekanntlich kein Kind von Traurigkeit … Also, wie du siehst, für eine schöne Frau gibt es keinen Grund, einem Mann nachzutrauern – oder ewig an ihm festzuhalten.«
»Also: Du hast bei mir von Anfang an nur Sex im Sinn gehabt?«
»Tja, bei Männern geht es immer um Sex – was sonst? Wir sind so primitiv. Und ich bilde da keine Ausnahme. So ist das. So lief das ab. Zuerst im virtuellen Raum – und als ich dich sah, war ohnehin alles zu spät.«
»Ja, und was sollten dann diese ganzen Beteuerungen und Beschwörungen?«
»Dich erobern. Nichts anderes. Du bist so eine tolle, starke Frau, da hätte ich doch nicht im Ernst damit gerechnet, dass ich dich so schnell einnehmen könnte! Mein Gott, hast du mich enttäuscht, als du so wenig Widerstand geleistet hast. Und als ich auch noch merkte, dass du dich in mich verliebt hattest, da war der Ofen aus. Der ganze Reiz weg. Männer sind Jäger, verstehst du? Es macht keinen Spaß, ein lahmes oder zahmes Tier zu erjagen. Das wildeste, schnellste, schwierigste, das die größte Gegenwehr leistet – das ist uns am liebsten.«
»Ich finde dich zum Kotzen!«
»Das kann ich sogar verstehen. Aber so ist es nun mal. Kapier es doch endlich! Und jetzt fordere ich dich in aller Entschiedenheit auf, umgehend aus meinem Leben zu verschwinden. Du hast deinen Spaß gehabt. Deine Genugtuung. Du hast mir nun wochenlang täglich deine Überlegenheit bewiesen. Mir in jede erdenkliche Suppe gespuckt. Jetzt muss endlich Schluss damit sein!«
»Und wenn ich anderer Meinung bin?«
»Dann muss ich eben mal ein paar Worte mit Francis reden. Ob ihre Sympathie für dich wohl standhält, wenn sie erfährt, dass du ihren Mann verführt und dich in dieses Haus gedrängt hast, um das immer wieder zu tun.«
»Erzähl es ihr nur. Sie wird begeistert sein. Vor allem von dir!«
Der Ärger darüber, dass dieser Schuss an Evas Gelassenheit abprallte, war ihm deutlich anzusehen. Er neigte den
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