Liebling, Ich Kann Auch Anders
das Gesicht zu wahren. Aus praktischen Gründen – etwa wegen seines unbeweglichen Arms – bietet es sich für ihn ja wirklich an, vorübergehend im Büro zu wohnen. Und falls er Einwände erhebt, ergänze ich ganz kühl, dies sei auch aus psychohygienischen Gründen die beste Lösung, da ich seiner Lügen überdrüssig sei.«
Wir schmunzelten. Das klang ganz nach einer Sibylle-Lösung. Das heißt, nach dem ersten Schritt einer solchen.
Am Dienstag halfen wir Francis beim Packen all der Utensilien für Magnus’ Exilbleibe und beförderten die Sachen mit ihr zusammen in die äußerst repräsentativen Geschäftsräume in der Nähe des Münsterplatzes. Kurz nach unserem Eintreffen wurde auch die Couch angeliefert. Ein wirklich schmuckes Stück.
Anschließend stärkten wir uns im Wessenberg-Café und besuchten dann die Städtische Galerie im selben Gebäudekomplex, wo wir uns bestens über die Exponate einer Sonderausstellung amüsierten, die den Karikaturen und Cartoons von Gerhard Glück gewidmet war.
»Jetzt bin ich in der richtigen Grundstimmung für den Besuch bei unserem bemitleidenswerten Patienten«, verkündete Francis in sarkastischem Ton, als wir uns von ihr verabschiedeten.
Nach einem ausgedehnten Schaufensterbummel spazierten Eva und ich gemütlich durch den Stadtpark, am Inselhotel vorbei, über die alte Rheinbrücke und schließlich die Seestraße entlang, bis wir zu Sibylles Hotel kamen.
An der Rezeption erfuhren wir, Sibylle erwarte uns im Zimmer. Nachdem sie sich bei ihrem ersten Besuch kundig gemacht hatte, bewohnte sie nun eines der schönsten Zimmer des Hauses. Wir waren tief beeindruckt von der geschmackvollen Einrichtung, dem traumhaften Blick auf den See – und auch davon, dass es für Bad und Toilette zwei getrennte Räume gab.
Im Stockwerk über dem Zimmer befand sich ein großzügiger Dachgarten mit beheiztem Pool und Sitzgelegenheiten für schöne Tage.
Sibylle hatte bereits beim Zimmerservice ihr bevorzugtes Getränk geordert, und wir genossen diese freundliche Willkommensgeste in vollen Zügen.
»Ich dachte, es ist besser, euch hier zu empfangen als unten an der Bar«, eröffnete uns Sibylle. Meine Klientin – sie heißt übrigens Mandy Severin – lässt nämlich keine Gelegenheit aus, mich ins Gespräch zu verwickeln, was mir bei all der offen bekundeten Sympathie gelegentlich etwas viel wird.«
»Es ist wunderschön hier in deinem Zimmer, wir erheben keinerlei Einwände«, versicherte Eva.
»Und zudem wissen wir es zu schätzen, wenn wir dich exklusiv genießen dürfen«, ergänzte ich. »Es ist dir also gelungen, die Dame in den Kreis deiner bunt gewürfelten Klientel aufzunehmen …«
Sibylle lachte. »Allerdings. Sie ist mir sozusagen geradewegs zugelaufen … Auf Dauer ist sie vielleicht etwas enervierend, aber ich denke, sie wird uns allen noch zur Freude gereichen.«
»Uns allen?« Eva und ich tönten im Chor.
Sibylle zog eine spitze Schnute und ließ die herabgesenkten Oberlider flattern. »Warten wir ab, bis auch Francis eintrudelt, dann enthülle ich euch einen überaus reizvollen Plan.«
Als wir versuchten, ein wenig auf den Busch zu klopfen, ging Sibylle überhaupt nicht darauf ein. Nur scheinbar zerstreut sagte sie plötzlich: »Ach ja, ich soll euch beide von Frau Keller grüßen.«
»Frau Keller?«, wieder sprachen Eva und ich wie aus einem Munde.
»Ja, Frau Keller, Leonardos reizende Vermieterin.«
»Ich weiß, wer Frau Keller ist, aber wie kommt’s, dass sie ausgerechnet dir Grüße an uns aufträgt?« Eva war deutlich verwirrt.
»Oh, sie findet euch beide ganz entzückend.«
»Ja, aber wie kommst du plötzlich auf Frau Keller? Du hast doch gar nichts mit ihr zu tun. Du warst doch im Hotel, als wir bei Leonardo wohnten …«
»Na und? Das bedeutet doch noch lange nicht, dass ich sie nicht inzwischen kennengelernt hätte. Ich habe sie damals kurz gesehen und heute zum Frühstück eingeladen. Und jetzt kennen wir uns eben etwas näher.« Sie lächelte uns hintergründig an.
Das Telefon klingelte. Sibylle nahm ab. »Ja, schön, sie soll auch raufkommen.«
Eva stand auf, um Francis entgegenzugehen.
Als die beiden eintraten, lächelte Francis fein und ihre Augen blitzten triumphierend.
»So sieht eine Frau aus, die mit sich zufrieden ist«, verkündete Eva und wir nickten, denn sie sprach aus, was wir alle sehen konnten.
Sibylle war bereits dabei, das Glas für Francis zu füllen, und wir stießen an.
»Ja, ihr habt recht!« Francis
Weitere Kostenlose Bücher