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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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trägt Nägel, die mehr als fünf Millimeter über die Fingerkuppen ragen. Sie lackiert sie allenfalls klar. Feiner jedoch ist es, die Nägel zu polieren. Jeden Schnickschnack oder Metallglanz überlässt sie Leuten, die es nicht stört, wenn sie billig wirken.«
    Sibylle entfernte noch in derselben Stunde ihren lila Lack mit Perlmuttschimmer, kürzte ihre Nägel und lässt sie seither bei der Maniküre polieren. Darüber hinaus straft sie alle mit Verachtung, die gegen die strengen Vorgaben meiner Mutter verstoßen.
    Was den Schmuck anbelangt, so befand meine Mutter: »Es ist besser, nur ganz wenige Stücke zu tragen. Die sollten aber handgefertigt sein und für sich sprechen. Einen zweiten Ring an einer Hand darfst du nur tragen, wenn er im selben Stil wie der andere ist.«
    Meine Mutter besitzt zwar einigen Schmuck, den sie im Laufe ihres Lebens geerbt hat oder geschenkt bekam. Doch nur weniges findet vor ihren gestrengen Augen Gnade. Sie trägt einen Siegelring aus Gold und Lapis von ihrer Großmutter mütterlicherseits, eine Zuchtperlenkette, die sie von ihren Eltern zum Examen bekommen hat, eine Brosche mit einer Korallenkamee und eine schlichte goldene Uhr mit großem weißem Zifferblatt. Den Ring und die Uhr hat sie meistens an, die Kette oder Brosche zu entsprechenden Gelegenheiten. Kein Mensch käme je auf den Gedanken, ihr Stil abzusprechen.
    Sibylle, die seit ich sie kannte, mindestens zehn Fingerringe und ebenso viele Halsketten gleichzeitig trug und dazu noch allerhand Arm- und Fußkettchen nebst variierenden ausnahmslos auffallenden Uhren, schmückte sich von da an nur noch dezent. Das hat sie im Grunde beibehalten, nur dass in den wenigen goldenen Schmuckstücken, die sie trägt, inzwischen überaus wertvolle Steine stecken. Auch ihre edlen Uhren glänzen eher durch Understatement als Prunk und Protz.
    »Schuhe müssen in Farbe und Form der Kleidung und dem Anlass angemessen sein«, erklärte Isolde Deyke, die über Sibylles zweifarbigen Glitzerpumps zu Jeans die Nase rümpfte. »Und sie müssen stets in einwandfreiem Zustand sein. Der lässt bei billigen Schuhen schnell nach, weshalb es besser ist, drei Paar gute zu besitzen und die ordentlich zu pflegen als zehn Paar billige.«

    Sibylle sog die Lehren meiner Mutter auf wie ein Schwamm, was meiner Mutter trotz der anfänglichen Abneigung gegen meine schrille Freundin schmeichelte. Seither schlägt die Kapital aus den puristischen Lehren der Frau D., und Letztere bekommt jedes Jahr zum Geburtstag einen gigantischen Blumenstrauß in tiefer Dankbarkeit von ihrer eifrigsten Schülerin zugestellt.
    Ich bin absolut überzeugt, dass unsere erfolgreiche Freundin ihr umfangreiches und ausgereiftes Wissen just dieser demütig-neugierigen Attitüde verdankt, mit der sie Menschen um Auskunft bittet, die sie auf irgendeinem Sektor für bewundernswert hält.

     
    Eva und ich waren mit Sibylles Art inzwischen wohlvertraut, doch Francis zeigte sich davon sowohl fasziniert als auch amüsiert.
    »Das Riva ist wirklich ein ausgezeichnetes Haus, um Klienten zu akquirieren«, schwärmte unsere Freundin. Ich glaube, wir könnten es verantworten, noch ein paar Tage dranzuhängen, was meinst du, Eliza?«
    Ich war ohnehin davon ausgegangen, etwas länger am Bodensee zu verweilen. Besonders gern in diesem wunderschönen Haus. Doch dabei gab es einen Haken: Magnus hatte mein Gesicht gesehen, das im Unterschied zu Sibylles nicht bis zur Unkenntlichkeit mit Perücke und Schminke entstellt war. Deshalb blickte ich fragend zu unserer Gastgeberin hin.
    »Da wir die nächsten Tage vor ihm sicher sind, wirst du selbstverständlich hier bleiben. Aber ich muss mir ohnehin etwas überlegen, weil es so wie bisher nicht weitergehen kann. Ich hatte gedacht, wenn er sich mit einer Therapie einverstanden erklärt, käme alles wieder in Ordnung, aber mir wird zunehmend deutlicher klar, dass er einfach zu viel Mist gebaut hat. Das mit der Internetsucht ist eine Sache, aber die Art, wie er mit all den Frauen umgegangen ist, hat ja eine ganz andere Dimension! Und tief in mir drinnen spüre ich, dass ich ihn eigentlich nicht mehr an mich ranlassen will.«
    Wir nickten verständnisvoll. Dann meinte Eva, Francis brauche ja nichts zu überstürzen, und wir beide könnten auch immer noch bei Leonardo unterkommen.

     
    Das war jedoch nicht nötig, denn nachdem Magnus seiner Frau in einem Telefongespräch am Montag ein weiteres Kapitel seiner Lügengeschichte präsentierte, platzte Francis der

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