Liebling, Ich Kann Auch Anders
aus. Dabei haben wir auch mal eine grobe Kategorisierung der Kundinnen bestimmter Designer vorgenommen. Nicht dass Eva und ich zur potenziellen Klientel dieser Leute gehörten, aber wir haben ja schließlich Augen im Kopf und Sibylle die entsprechenden Studienobjekte im Schrank.
Frauen, die selbst erfolgreich sind, so stellten wir fest, greifen vermehrt zu Modellen im Stil von Jil Sander und Armani. Solche, die von Männern unterhalten werden wollen, bevorzugen eher Cavalli und Versace.
Mandy S. trug eine Mischung aus Cavalli und Versace nebst den bereits erwähnten Schuhen von Louboutin und einer Handtasche von Louis Vuitton. Alles vermutlich extrem teuer, aber ansonsten überhaupt nicht zusammenpassend. Zudem hatte sie künstliche modellierte Fingernägel mit Glitzerintarsien, die mich an kleine Grabschaufeln zum Verbuddeln des guten Geschmacks denken ließen.
Eva und ich wechselten beredte Blicke. Wenn Sibylle diese Frau bereits mehrmals getroffen und diese Begegnungen offensichtlich keinerlei Spuren hinterlassen hatten, so konnte das nur bedeuten, dass unsere Freundin noch andere Ziele verfolgte, als Mandy zu einem vorteilhaften Auftreten zu verhelfen …
Sibylle stellte uns als ihre besten Freundinnen vor, ohne die sie im Leben nicht einmal halb so viel erreicht hätte. Wir wehrten uns bescheiden gegen so viel Lob und registrierten mit klammheimlicher Freude, wie stark diese Auskunft unsere Tischgenossin verunsicherte. Schließlich nahmen wir beiden uns in ihren Augen neben Sibylle allenfalls wie ausgespuckte Kaugummis neben einem Brillanten aus. Vermutlich bestand genau darin ein wohlkalkulierter Effekt bei Sibylles Strategie.
Mandy aß wenig und trank viel. Und vor allem schnell. Rasch löste der Alkohol ihre Zunge.
So erfuhren wir, dass sie jüngst verwitwet war und sich nun nach einem neuen Lebensmittelpunkt umsah. Wiesbaden, ihr bisheriger Wohnort, so erklärte sie, sei mit zu vielen traurigen Erinnerungen behaftet. Eva stellte ihr zunehmend Fragen über ihre Vergangenheit, die Mandy jeweils erst mit Blick auf Sibylle und deren zustimmendes Nicken beantwortete. Zuerst ging es um Familie, Schule, Ausbildung und Reisen. Doch je weiter der Abend voranschritt – oder dahin gespült wurde –, desto aufschlussreicher gestalteten sich Mandys Auskünfte.
»Wie ich Walter kennengelernt habe? Na er hatte eine Annonce in ›Jagd und Hund‹. – Ich habe alle meine Männer über ›Jagd und Hund‹ kennengelernt.«
»Alle? – Wie viele waren es denn?«
Mandy merkte, dass sie sich verplappert hatte. »Na ja, äh … zwei, nur zwei …«
»Ach so, nur zwei. Und ist dein erster Mann ist auch gestorben?«
»Ja, leider. Friedrich ist abgestürzt. In den Dolomiten. Ich hab gesagt, er soll nicht so hoch rauf, aber er wollte mir immer zeigen, dass er noch konnte wie ein Junger.«
So erfuhren wir, dass die arme Mandy mindestens zweimal auf tragische Weise verwitwet war. Den fünfundsechzigjährigen Walter hatte ein Infarkt dahingerafft, den siebzigjährigen Friedrich die Berge.
Beide hatten die bemitleidenswerte Witwe zumindest nicht im materiellen Sinne als arme Frau hinterlassen.
Auf dem Heimweg im Taxi rätselten wir noch eine Weile herum, was Sibylle wohl im Schilde führen könnte. Aber dann wandten wir uns dem Thema zu, das uns am meisten inspirierte: Die Umwidmung der Villa Weizenegger in eine Begegnungsstätte und möglicherweise unseren zweiten Wohnsitz.
Um Sie nicht zu lang auf die Folter zu spannen, informiere ich Sie hier in Kurzform über die ersten Ergebnisse von Sibylles kühnen Plänen. Das Ehepaar Bergmüller, Bekannte von Frau Keller, besaß eine große etwas baufällige Villa mit weitläufigem verwildertem Garten direkt am See. Herr Bergmüller, der sich stets gegen einen Umzug gewehrt hatte, lag nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt im Krankenhaus. Die Frau, die wie ihr Mann weit in den Achtzigern stand, wollte lieber gleich als später in eine betreute Wohnanlage umziehen. Die Tochter der beiden lebt in zweiter Ehe und besten Verhältnissen in Kalifornien. Wegen ihres Asthmas und der Erinnerung an ihre erste katastrophale Ehe verspürt sie keine Lust, länger als für jeweils ein paar Tage nach Konstanz zurückzukehren.
Nach einem langen Telefonat mit ihrer Mutter und Sibylle gab sie ihr Plazet, dass die Mutter Sibylle eine Vollmacht für ihre geschäftlichen Belange erteilte. Pikanterweise diente als Referenz nicht nur die Verbindung zu Frau Keller, sondern auch
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