Liebling, Ich Kann Auch Anders
Kragen.
Eva und ich feilten im Wohnzimmer an einer von Evas Kolumnen herum (ich bin immer glücklich, wenn ich mit meinen Vorschlägen noch etwas Würze dazugeben kann), als die Tür aufflog und eine völlig echauffierte Francis hereinrauschte, die Hände gen Himmel streckte und rief: »Ich kann und will das nicht länger mitmachen! Ich schmeiß ihn raus!«
Selbstverständlich waren wir der Meinung, dies sei die einzig richtige Entscheidung, aber wir wollten schon auch den Anlass für ihre aktuelle Fassungslosigkeit erfahren.
Sie lachte trocken. »Er hat angeblich ein unglaubliches Geschäft in Aussicht und muss noch ein paar Tage in Wiesbaden bleiben. – Ich musste mich dermaßen zusammenreißen, ihn nicht am Telefon anzubrüllen. Aber ich wollte erst mit euch über angemessene Maßnahmen reden.«
»Prima. Das ist sehr gescheit«, lobte Eva, »du darfst jetzt nämlich keinen Fehler machen. Im Moment stehst du im Unterschied zu ihm in jeder Beziehung gut da. Und das solltest du nicht im Affekt vermasseln.«
»Genau. Und zum Glück weilt ja gerade auch die große Strategin und Scheidungsberaterin in unserer Nähe«, ergänzte ich. »Sibylle wird sicher glänzende Ideen haben, wie sich die Sache in deinem Sinne regeln lässt.«
»Ihr meint, ich kann mit den Kindern unbehelligt weiter hier leben, auch wenn ich ihn vor die Tür setze?«
»Mit Sicherheit. Aber vielleicht lässt sich ein Weg finden, dies so zu regeln, dass nicht allzu viel Geschirr dabei zerdeppert wird.«
»Ja, das wäre gut. Schon im Interesse der Kinder.«
»… die ihn zwar zunehmend kritisch beurteilen, wie ich erleben konnte, aber dennoch den Papi, der er bis vor wenigen Jahren war, inniglich lieben«, gab Eva zu bedenken.
Sibylle, die neben der jungen Frau inzwischen noch mit einem anderen Hotelgast, einem türkischen Geschäftsmann, in Verbindung getreten war, erklärte sich am Telefon bereit, ein paar Stunden ihrer zunehmend verplanten Zeit für einen Besuch im Hause Weizenegger zu erübrigen. Sie fuhr nach dem Businesslunch mit dem Türken, den sie als intelligent und recht kultiviert bezeichnete, zur verabredeten Zeit vor. Lächelnd eröffnete sie uns, der Herr wünsche gelegentlich ihre Dienste als Assistentin für offizielle Anlässe und Geschäftsessen mit anspruchsvollen deutschen Partnern. Dabei rieb sie Daumen- an Zeigefingerkuppe und zwinkerte fröhlich.
Als sie unsere Ungeduld bemerkte, stellte sie ihre Ausführungen ein und erkundigte sich, was sie für uns erledigen könne.
»Im Einzelnen wissen wir noch nicht Bescheid«, eröffnete ihr Eva, aber im Wesentlichen geht es darum, dass Francis Magnus vor die Tür setzen und weiter mit den Kindern hier im Haus wohnen will.«
»Kann ich gut verstehen. Den Mann würde ich auch wesentlich leichter aufgeben als die Villa.«
»Das Anwesen gehört uns aber beiden je zur Hälfte«, ergänzte Francis.
Diese Auskunft ließ Sibylle in kurzem Schweigen verharren. »Dieses wunderbare Immobilie muss euer Domizil bleiben, das ist schon mal klar«, stellte sie wie ein Orakel mit meditativem Blick durch die Terrassentür hinüber zur Reichenau fest.
Francis starrte sie gebannt an, was uns trotz aller Spannung etwas amüsierte, da wir es ja gewohnt sind, Sibylles Talent sich wirkungsvoll in Szene zu setzen, stets aufs Neue bewundern zu können.
Unsere Pythia schüttelte kurz den Kopf, als erwache sie aus einer Trance und fixierte Francis hellwachen Blickes. »Machen wir’s kurz: Dein Angetrauter hat eindeutig schlechte Karten. Dennoch bevorzuge ich es in so einer Situation, den langwierigen und in vielerlei Hinsicht belastenden Rechtsweg zu meiden und auf eine Abkürzung auszuweichen, auch wenn die möglicherweise über wenig ausgetretene Seitenpfade führt.«
»Aha? Und wie könnten diese Seitenpfade aussehen?«, erkundigte sich Francis hoffnungsvoll.
»Das müssen wir noch herausfinden. Dafür brauche ich allerdings eine Menge Informationen.«
Eva und ich verstanden, dass dies eine Angelegenheit war, die die beiden Frauen am besten untereinander regelten. Deshalb machten wir uns auf in die Stadt, wo wir erst auf der Marktstätte Kaffee tranken und dann in einigen Buchhandlungen stöberten. Dabei stellten wir uns vor, wo demnächst unsere Werke stehen könnten. Ich suchte also zunächst die Abteilung auf, wo Cartoons standen wegen ›Wolli‹, und dann gingen wir in die belletristische Ecke wegen meines Romans. Aber als ich so dastand und mir meinen Traum in allerlei leuchtenden
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