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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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erleben durfte, was geistige, körperliche und seelische Nähe bedeuten konnten, sah ich nicht mehr ein, dass meine Freundin sich mit weniger zufriedengab.
    »Nein, zuerst möchte ich über ihn ebenso viel wissen, wie er über mich weiß.«
    »Meiner Meinung nach wissen wir bereits mehr als genug über ihn. Er ist verheiratet.«
    »Er könnte auch Priester sein.«
    »Noch schlimmer!«
    »Muss nicht sein. Aber ich weiß gar nicht, was du hast, Eliza, schließlich will ich den Mann ja nicht vom Pfad der Tugend abbringen.«
    »Nein? Aber du würdest es billigend in Kauf nehmen.«
    »Ts. Ich möchte lediglich einen gleichberechtigten Dialog mit ihm führen.«
    »Im Stehen, Sitzen, Liegen. Was er – aus welchem Grunde auch immer – ablehnt.«
    »Ich habe mal ausgerechnet, wie viele Stunden er mir täglich gewidmet hat, als unser Korrespondenzverhältnis noch ungetrübt war. Drei bis fünf Stunden am Tag. Oder besser gesagt täglich. Denn er schrieb ja häufig in der Nacht. Wenn einer so ein starkes Bedürfnis hat, sich einer fremden Person mitzuteilen, dann heißt das doch, dass er dazu in seinem Privatleben keine Möglichkeit sieht.«
    »Na ja, wir wissen doch, dass Ehepaare nach fünf Jahren Ehe im Durchschnitt nur noch acht Minuten pro Tag miteinander reden. Woran auch immer das liegen mag. Vielleicht fällt dein Marcel ja seiner Frau auf die Nerven und sie plaudert lieber mit ihren Freundinnen.«
    »Mag sein. Aber für mich steht eben fest, dass wir seelenverwandt sind.«

     
    Eva und ich telefonierten nach wie vor täglich, aber die Gespräche waren nicht mehr so ausführlich wie vor Beni. Einerseits konnte ich nicht wie gewohnt ins Detail gehen, da Beni immer um mich rumschwirrte, andererseits blieb neben der Arbeit, der Liebe und der Zubereitung unserer Mahlzeiten kaum Zeit übrig.
    Beni schien es für selbstverständlich zu halten, dass er umsonst bei mir wohnte und ich alles bezahlte. Deswegen war ich ganz froh, dass Sibylle für einige Zeit verreist war. Sie hätte mir gründlich die Leviten gelesen. Zumal ich auch ihre drei Standardfragen: ›Macht er dir Geschenke? Macht er dir Komplimente? Ist er ein guter Liebhaber?‹ nur im letzten Fall hätte bejahen könnte. Und das auch nicht von Anfang an. Aber ich billigte Beni mildernde Umstände zu. Schließlich war er erst fünfundzwanzig, studierte offiziell noch Jura und war es gewohnt, dass andere für sein Auskommen sorgten. Wenn er sich mal einen besonderen Wunsch erfüllen wollte, dann hatte er bislang immer für eine Weile in einer Kneipe gejobbt. Mich störte seine Zurückhaltung auf dem wirtschaftlichen Sektor insofern nicht, als ich ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen verspürte, weil ich für sein Buch bisher mehr Geld kassiert hatte als er. Es war allerdings kein leicht verdientes Geld, denn die Arbeit mit Beni war ziemlich anstrengend. Er hielt an jedem einzelnen Satz fest wie eine Mutter an ihrem Neugeborenen, das ihr ein Unhold zu entreißen versucht.
    Seine Schreibe war nicht nur voller unübersichtlicher Schachtelsätze und schiefer Metaphern, sondern sie strotzte auch vor Redundanzen und Tautologien. Dass es besser war, die Schachtelsätze zu entwirren, sah er ein. Die Metaphern korrigierten wir gemeinsam. Da hatte er schlicht geschlampt. Wegen des Doppelgemoppels gab’s allerdings bisweilen Diskussionen. Zwar leuchteten ihm meine Argumente ein, doch meinte er: »Wenn du das alles raus streichst, dann bleibt ja nichts mehr übrig.«
    Was sollte ich da sagen? Ich fand jedoch schnell heraus, dass ich mit meinen Wünschen am ehesten durchkam, wenn die Zeit zum Essen nahte. Da wurde mein Schatz nachgiebig und sein Widerstand schmolz wie die Butter in der Pfanne, in der ich ihm leckere Happen brutzelte. Was ich mir schamlos zunutze machte.
    Bei unserem intimen Treiben hingegen gab es weder Diskussion noch Widerstand. Da erwies sich Beni von Anfang an als aufgeschlossen und fügte sich mit großer Zartheit meinen Wünschen. Er war noch ziemlich unerfahren, aber gelehrig und dankbar. Nach zwei Wochen, als unser körperliches Defizit einigermaßen gelindert war und meine Konsequenz aufs Neue erwachte, bekamen wir das mit der Arbeit besser in den Griff. Ich steckte Ziele ab, und erst wenn die erreicht waren, ging’s zum erotischen Programm über.
    Dieser Modus funktionierte dann auch so gut, dass wir statt zu Beginn nur drei mit der Zeit fast zehn Seiten am Tag schafften. Ich gab Anstoß zu mehr Ironie und detaillierteren Beobachtungen, und wir

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