Liebling, Ich Kann Auch Anders
feilten gemeinsam. Es machte wirklich Spaß und allmählich wurde das Buch ganz gut.
»Es wird gut, es wird sehr gut!«, versicherten wir uns jedes Mal gegenseitig, wenn eine unserer Arbeitssitzungen beendet war. Und dann liebten wir uns. Im Bett, im Bad, in der Küche, im Wohnzimmer. Das war auch gut! Sehr gut! Ich genoss seine weiche Haut, seinen frischen Duft und seine jugendliche Hingabe. Er genoss, wie er bekundete, meine Erfahrung, meine Entschlossenheit, meine klar definierten Wünsche. Ich sah mich als Pygmalia. Er war der Marmorblock, den ich bearbeitete, dem ich Form gab, den ich schliff und polierte. Mein Geschöpf, mein Geliebter, mein fleischgewordener Traum.
»Warst du schon mal in New York?«, fragte er eines Nachts.
»Nein. Aber es steht ganz oben auf meiner Wunschliste.«
»Wir fliegen hin, wenn die erste Auflage verkauft ist. Ich lade dich ein.«
Ich war gerührt. Und schön blöd! Denn warum sagte ich nicht: ›Lass uns reisen, sobald wir hier mit dem Buch fertig sind?‹ Das wäre in ein paar Wochen gewesen. Schmiede das Eisen, solange es heiß ist, rät Volkes und Sibylles Stimme. Doch mir gefiel vermutlich die Langzeitperspektive, die sein Versprechen beinhaltete: Unsere Beziehung würde nicht mit dem Lektorieren dieses Buches enden! Mindestens ein halbes Jahr würden wir darauf hinträumen, alles genauestens planen, um unserer Liebe einen exquisiten Akzent zu verleihen. Für die nächsten Akte fantasierten wir uns zuerst in den Central Park. Und dann trieben wir’s im Aufzug des Empire State Buildings, hinter dem Rücken des Liftmannes.
Wochentags verließen wir kaum das Haus. Allenfalls, um Lebensmittel zu kaufen. Ich kochte alle Rezepte durch, die ich von Eva kannte. Immer wieder aufs Neue. Beni schmeckte alles und von allem viel. Beim Spülen stellte er sich ziemlich ungeschickt an, aber ich dachte, wenn er es lange genug übt, wird er es schon noch lernen. Und ich schrieb alles auf, was zu Bruch ging, um es Eva zu ersetzen.
Sonntags arbeiteten wir nicht. Wenn es schön war, packten wir einen Picknickkorb und gingen in den Englischen Garten. Wenn es regnete, zogen wir uns gar nicht erst an. Wir vergnügten uns im Bad mit Wasserspielen und in der Küche mit allerhand Früchten und anderen für erotische Spiele geeigneten Speisen. Beni erfuhr mit Freuden, dass Sekt nicht nur auf Zunge und Gaumen schön prickelt, und ich war entzückt, wie begierig er Neues in sein Repertoire aufnahm und zu variieren vermochte. Eine wunderbare Zukunft aus Kreativität, Arbeit, Lust und Liebe tat sich vor uns auf. Und zum ersten Mal war ich eigentlich ganz froh, dass Eva nicht in meiner Nähe war. Das hätte mich ganz schon in die Bredouille gebracht. Klar erinnerte ich mich an meine Äußerungen über Frauen, die in Beziehungen oder Familien regelrecht versickert sind – wie eine Cola, die im Sand des Badestrands umgekippt ist, als letzte Ahnung ihrer Existenz lediglich einen feuchten Flecken zurücklassend. Nur zu gut erinnerte ich mich daran! Und deswegen hätte ich mir auch alle Mühe gegeben, für Eva in ähnlichem Umfang wie bisher da zu sein. Aber damit wäre ich neben der Arbeit und Benis Forderungen ganz bestimmt ins Schleudern gekommen.
8
David dehnte seinen Aufenthalt in Konstanz aus. Arbeiten konnte er schließlich überall, am See sogar besser als sonst wo. Denn Eva und Leonardo waren zur Stelle, um seine Ideen zu begutachten und gemeinsam mit ihm neue auszubrüten.
Nachdem das Sommersemester begonnen hatte, verbrachte Leonardo eine Menge Zeit an der Uni, aber während der verfügbaren Stunden unternahmen sie zu dritt Radtouren und besuchten kulturelle Veranstaltungen. Je näher sich die beiden Männer kamen, desto mehr verspürte allerdings Eva das Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Der anregende Umgang und die heitere Stimmung der vergangenen Wochen hatten sie jedoch belebt und inspiriert, und sie fühlte sich voller Schaffensdrang. Zwar gewann der Mailverkehr mit Marcel wieder an Bedeutung für sie, aber sie blickte kopfschüttelnd auf ihre Empfindlichkeit zurück und nahm sich fest vor, sich künftig nichts mehr allzu nahegehen zu lassen.
Allmählich wurden seine Schreiben wieder länger, dennoch war ihre Freude darüber getrübt. Die lockere Unbefangenheit war auf der Strecke geblieben, nun dominierte das sarkastische Element. Sarkasmus hatte Eva jedoch bereits aus dem Munde ihres Vaters in überreichem Maße vernommen, weshalb sie sich oft irritiert fühlte.
Nach nicht
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