Liebling, Ich Kann Auch Anders
Abendessen noch etwas Juristisches mit ihm besprechen wollte. Benis Wissen über die Erfindung des Telefons war offenbar im Taufbecken abgesoffen. – Männer!
»Ich hab dir was mitgebracht«, verhieß er, erhob sich, ging zum Kühlschrank und nahm ein ziemlich großes Aluminiumgebilde heraus. Er zog die Folie auf, und ein Haufen in- und übereinander gerutschter Kuchen und Torten kam zum Vorschein. Große Teile der Sahne und Creme von den Torten klebten an der Folie fest.
»Oh je, da ist wohl meine Tasche draufgefallen«, klagte Beni. »Aber ist ja egal, im Magen kommt eh alles zusammen.« Er reichte mir einen Suppenlöffel und sah mich auffordernd an. Die Meerestiere in meinen Eingeweiden hatten zu diesem Thema eine entschieden andere Meinung als er.
»Bitte pack das weg. Ich kann das jetzt nicht sehen.«
Enttäuscht zog Beni die Folie wieder über seine Taufschätze. »Ich hab’s doch bloß gut gemeint«, brummte er.
»Ich mein’s auch gut, sehr gut! Und deshalb duschen wir jetzt und dann gehen wir ins Bett.« Die Alternative schien ihm zu gefallen. Und es machte uns beiden Spaß, wie wir unserem Gefallen aneinander aktiv Ausdruck verliehen.
Erst am Nachmittag kam ich dazu, meine E-Mails zu sichten. Eva hatte etwas geschickt. In der Betreffzeile stand ›Entwarnung‹. Sie bat um Entschuldigung dafür, dass sie mich mit ihren Hirngespinsten behelligt und Panik verbreitet hatte.
›Schon verziehen, du hast mir damit zu einem außergewöhnlichen Abend verholfen: Einem schönen Film, tollem Abendessen – und bei meiner Heimkehr zu einem verzweifelten Geliebten, der mir von Landluft gestärkt und Verlassensängsten gequält einen unvergesslichen Beweis seiner Manneskraft erbracht hat‹, schrieb ich ihr in meiner Erwiderung am Abend.
Zuvor kopierte ich jedoch für Beni Passagen aus Magnus’ jüngstem Erguss: ›Mein Engel, du bist mir so nah an meiner Seele, es ist nicht zu beschreiben für mich. Solch eine Nähe zu einem Menschen zu finden, hat mich, bevor ich dich berühren durfte, schon atemlos und auch befangen gemacht. Und als ich dann alles bestätigt sah, was ich nicht zu träumen wagte, du mich mit der Wärme deiner Seele und deines berauschend sinnlichen Körpers angenommen hast – das war so wunderbar, dass es meine Gedanken nicht mehr loslässt. Und dann taucht meine Angst auf: Dir nicht zu entsprechen, zu genügen, dich nicht erfüllen und glücklich machen zu können in allem, was du dir wünschst. You are so wonderful! Tu as touché mon âme et j’en suis enchanté.‹
»Was heißt das?«, erkundigte sich mein grinsender Freund.
»Du hast meine Seele berührt und mich bezaubert, verzaubert oder verhext.«
»Wird ja immer krasser. Und du meinst, Frauen mögen so was?«
»Ja, viele.«
»Also, so ’n Gesülze brauchst du von mir nicht zu erwarten. Aus einem Kamel lässt sich halt keine Katze machen!«
»Kapiert, mein süßer Kater.«
Das verstand er offenbar als Aufforderung, denn er drückte seinen Körper an meinen und gab tatsächlich Töne wie ein paarungswilliger Kater von sich. Gern wirkte ich bei dem Spielchen mit. Ganz nach Art der Katzen und auf der Stelle – im Arbeitszimmer.
»Du hast mich überzeugt. Mit einem Kamel würde das nicht annähernd so gut klappen«, seufzte ich und rieb mir den Nacken, weil seine Bisse etwas schmerzen. »Ich muss sagen, die Landluft scheint dir ausgezeichnet zu bekommen. Vielleicht sollten wir mal Ferien auf dem Bauernhof machen.«
Wenn schon nicht New York, dann wenigstens das zum Abschluss unserer gemeinsamen Strapazen! – Aber Beni ging nicht auf den Vorschlag ein. Verfügte ich etwa über mir unbewusste abstoßende Eigenschaften, die er seinen Verwandten lieber nicht zumuten wollte? War’s mein Alter? Oder genierte er sich wegen seiner Herkunft? Das wäre zwar blöd, aber vermutlich war das der Grund. Denn als ich ihn später aufforderte, von dem Wochenende im Familienkreis zu erzählen, war er ziemlich kurz angebunden. Das fand ich schade, denn ich liebte ihn ja, dachte an eine gemeinsame Zukunft und hatte überhaupt nichts gegen seine Sippe.
Als ich jedoch darüber nachdachte, wie ich reagieren würde, wenn er meine Mutter kennenlernen wollte oder gar wünschte, dass ich ihn zu ihr mitnähme, relativierte sich die Sache. Bevor ich ihm keine besseren Tischmanieren beigebracht hatte, konnte ich dieses Thema vergessen. In seinem eigenen Interesse. Mir war klar, dass ich – ebenfalls in seinem Interesse – endlich mal daran
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