Liebling, Ich Kann Auch Anders
auch kaum Zeit. Zwar frühstückten wir gemeinsam zur Mittagszeit, doch dann wollten sich die beiden noch eine Ausstellung ansehen.
Als Eva ihre Sommergarderobe einpackte, nahm sie so viel mit, als richte sie sich nun doch auf einen längeren Aufenthalt in Konstanz ein. Das versetzte mir zwar im ersten Moment einen Stich, aber andererseits kam es mir aus praktischen Erwägungen doch ganz gelegen. Beni würde es sicher missfallen, in meine kleine Wohnung umzuziehen und sowohl auf den Balkon als auch auf die Badewanne zu verzichten.
Aus lieber alter Gewohnheit rührten wir uns am Nachmittag mit den übrigen Avocados von Sibylles Buffet Schönheitsmasken an. Und mit einer Schale voller Erdbeeren derselben Herkunft kreierten wir köstliche Eisbecher.
»Wann siehst du deinen Schönen wieder?«, fragte ich mit steifen Lippen. Im Halbschlaf hatte ich mitbekommen, dass Eva in der Frühe einen Anruf entgegengenommen hatte.
»Am Mittwoch«, sagte sie und strahlte so festlich, dass die inzwischen angetrocknete Maske um ihren Mund und an den Wangen abbröckelte.
»Wann und wo? – Same hour, same place?«
»Eine Stunde früher. Es darf am Abend nicht wieder so spät werden.« Sie zog die Brauen hoch und verdrehte die Augen. Nun bröckelte die Maske auch auf der Stirn, und sie ging ins Bad, um sie abzuwaschen.
Kurz bevor die Drei losfuhren, kam noch ein Anruf von Magnus, der Eva offenbar verwirrte. »Er sagt, er hätte mich nicht verdient.«
»Da hat er zweifellos recht. Kein Mann hat dich verdient.«
»Danke, ist ja lieb, was du sagst, aber trösten kann es mich nicht, denn ich kenne diesen Spruch nur zu gut. Er ist für mich so was wie die Erkennungsmelodie, die das Finale einleitet.« Sie sah wirklich niedergeschlagen drein.
»Da wäre ich jetzt aber sehr gelassen. Nach diesen Briefen mit all den Ewigkeitsschwüren. Der Typ ist verrückt nach dir. Er wäre ja auch schön blöd, wenn er sich das antäte!«
Es schmerzte mich, dass Eva und ich wieder für wer weiß, wie lange Zeit getrennt sein würden und ich nur wenig für sie tun konnte. Und es wurmte mich, dass es Herrn Wunderbar gelungen war, innerhalb von Sekunden ihre strahlende Laune zu trüben.
Noch mehr ärgerte mich jedoch der Verdacht, dass ich selbst zu ganz ähnlichen Reaktionen fähig wäre. Weiber! Da lästern wir permanent über die Kerle – und dann messen wir ihnen so unendlich viel Bedeutung bei. Würdelos. Beschämend. Erbärmlich!
Sibylle empfahl sich als Heilmittel der Stunde. Gern nahm ich ihre überraschende Einladung ins Kino an. Das war auf jeden Fall besser, als ungeduldig in der Wohnung darauf zu warten, dass Beni aus seiner Allgäuer Quasi-Einsiedelei zurückkehrte, um sich von mir seine kulinarischen und erotischen Wünsche erfüllen zu lassen.
Sibylles neuer Klient, jener, den wir zu Bett gebracht hatten, war zu meiner Überraschung mit von der Partie und bestand darauf, uns als Dank für die nächtliche Versorgung nach dem Kino in den ›Austernkeller‹ einzuladen.
Zunächst hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen Beni. Doch als ich vom Waschraum aus zu Hause anrief und sich niemand meldete, war ich über meinen Entschluss mehr als froh.
Wir verbrachten einen höchst amüsanten – und für mich vor allem lehrreichen – Abend. Sibylle setzte sich charmant in Pose und erzählte nahezu unglaubliche Geschichten über ihre Engagements in aller Welt. Ihr Klient, ein deutsch-amerikanischer Geschäftsmann, den sie vor vier Tagen in der Lobby des ›Vier Jahreszeiten‹ aufgetan hatte, konnte sich selbst dazu gratulieren, dass er in solch kompetente Hände geraten war. Ich genoss das weltläufige Flair, das vorzügliche Essen, die Getränke, Blicke auf andere Gäste, zu denen ich mir Geschichten ausdachte und Blicke, die uns galten. Unsere Dreiergruppe regte mit Sicherheit die Fantasie an.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich eine Ewigkeit in Klausur verbracht hatte. Völlig fixiert auf einen einzigen Menschen. Das war sicher weder sinnvoll noch förderlich für meine Persönlichkeit. Dennoch sehnte ich mich gehörig nach Beni, als sich das Taxi, in dem mich die beiden anderen begleiten, meinem Heim näherte.
Beni erwartete mich ziemlich aufgelöst. Seit einer fast endlosen halben Stunde! Für mich wären es mehr als sechs Stunden gewesen, wenn ich auf ihn gewartet hätte! Deshalb konnte ich mich nicht restlos eines angenehmen inneren Triumphs erwehren. Er erzählte, es sei so spät geworden, weil sein Vater nach dem
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