Liebling, Ich Kann Auch Anders
stört es mich in dem Sinne, als es moralisch gesehen Unrecht ist, was wir tun. Aber laut Statistik tut’s eh jeder zweite Mann irgendwann einmal. Von daher ist es wohl normal. Andererseits muss ich vermutlich dem Himmel danken, dass Magnus nicht frei ist. Ihn täglich zu sehen, das wäre der Overkill. Er würde mich verschlingen – und ich würde mich verlieren.«
»Beni betreibt bei mir ja auch die totale Belagerung. Aber unser Glück ist eben, dass wir zusammenarbeiten. Da kommt bei aller Liebe wenigstens noch was zustande.«
»Das würde mir auch gefallen. Es ist schon etwas ganz Besonderes, mit einem Menschen gemeinsam etwas zu erschaffen. Die Zusammenarbeit mit Leonardo empfinde ich auch immer als sinnvoll und sehr aufbauend. Doch Magnus sollte ich vermutlich nicht gar so hoch dosiert genießen. – Sag mal, wärst du mir böse, wenn ich kurz nach meinen Mails schauen würde?«
Ich schüttelte grinsend den Kopf. »Wenn’s was Schönes ist, möchte ich wieder einen Ausdruck.«
Wenige Minuten später kam sie mit triumphierendem Strahlen auf den Balkon zurück und schwenkte ein Blatt. Sie stellte sich in Pose und zitierte Casanovas jüngsten Coup:
»Liebste, du bist das Äquivalent, von dem zu träumen mir vergönnt war und dessen Erscheinung in dir mich bannt, mir immer noch unfassbar ist – wo ich dich doch so gern anfasse – überall! –, was mich so glücklich macht. Unsere Begegnung ist in meinem Herzen, solange ich lebe und ich werde selig davon zehren, forever – pour toujours! Muchos besos! Dein Magnus.«
»Bravo, Giacomo Girolamo!«, rief ich und klatschte in die Hände.
Sie lachte und hob das Glas. Wir tranken, und ich goss nach.
»Und nun erzählst du mir von deinem Schatz. Er scheint dir ja auch sehr gut zu tun. Allein dafür gebührt den Jungs doch herzlicher Dank: Sie schaffen im Handumdrehen, was du auf einer Schönheitsfarm vermutlich nicht mal in zwei Wochen erreichst. Ganz zu schweigen davon, dass wir uns die ohnehin nicht leisten könnten.«
Nachdem ich sie auf den neuesten Stand meiner Beziehung gebracht hatte, fummelten wir unseren Beitrag für Sibylles Geburtstagsparty zusammen. Ich improvisierte an Evas Klavier einen Tango und wir verfassten dazu ein witziges sechsstrophiges Loblied auf unsere Freundin. Der Refrain lautete: ›Sibylle ist ’ne Superspitzenfrau, von außen ganz betörend schön und innen furchterregend schlau‹. Das Ganze nahmen wir auf Konserve auf, die wir als Play-back abspielen wollten, während wir synchron die Lippen bewegten und dazu tanzten.
10
Der Wettergott war Sibylle gnädig. Die Schiebefenster zur Dachterrasse konnten bis zum Schluss geöffnet bleiben, und die Gäste hatten die Möglichkeit, sich sowohl drinnen als auch draußen des großen Aufwands zu erfreuen, den ihre Gastgeberin für sie betrieben hatte. Sie selbst schwebte als Lichtgestalt in Weiß und Gold gewandet und mit reichlich Gold und Brillanten geschmückt durch den Abend und die Nacht. Außer Eva und mir gaben nur Leonardo und David etwas Individuelles zum Besten. In eindrucksvoller Kostümierung und verblüffend geschminkt mimten die beiden Freunde zwei betagte Schauspielerinnen, die sich um eine Hauptrolle stritten. Dabei sollte es um die Verkörperung einer bezaubernden jugendlichen Schönheit gehen. Nachdem sie sich zum allgemeinen Gaudium gegenseitig mit spitzen Pfeilen nur so gespickt hatten, kamen sie dann doch gemeinsam zu der Überzeugung, wenn einer Frau die Rolle der jugendlichen Schönheit gebühre, dann doch wohl dem Geburtstagskind.
Es gab begeisterten Applaus. Doch als wir kurz darauf unseren Tango tanzten – Eva in ihrem gelben Seidentraum und ich im blauen Hosenanzug –, wäre ich jede Wette eingegangen, dass die meisten eher Eva als Sibylle den Apfel des Paris gereicht hätten. Sie war schöner denn je und erstrahlte im Glanz ihres Liebesglücks.
Wie bei Sibylles Festen üblich, war niemand von ihrer Familie da. Sie lud zwar regelmäßig ihre Eltern ein, den Bruder auch gelegentlich, aber die waren der Ansicht, sie passten nicht zu den Leuten, mit denen ihre Tochter verkehrte, und fanden es daheim gemütlicher und weniger kompliziert.
Es hatte sich eine Mischung aus schönen, reichen und interessanten Menschen eingefunden. Darunter allerdings nur wenige, auf die alle drei genannten Eigenschaften zutrafen. Aber zweifellos waren so viele geschäftlich relevante Personen versammelt, dass Sibylle die Party ohne schlechtes Gewissen steuerlich absetzen
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