Liebling, Ich Kann Auch Anders
vergesse, was passiert ist und ich hoffe und ich träume / ich hätt’ dich noch nicht verlor’n …
Am Donnerstagnachmittag landeten wir auf dem Kennedy-Airport. Es zeigte sich ein Julitag, wie wir ihn uns zu Hause seit Wochen herbeisehnten. Warm und strahlend und wir laut Ortszeit nur viereinhalb Stunden älter. Wir nahmen eine der berühmten gelben Taxen nach Manhattan. Der Taxifahrer erzählte uns die Geschichte seines Lebens als New Yorker Grieche der dritten Generation und wir stießen uns gegenseitig mit den Ellbogen an und grinsten. Genau wie im Film. Benedict gab sich aus Stolz darüber, dass er schon einmal hier war und vermutlich auch um den Fahrer von endlosen Umwegen abzuhalten, als ortskundiger New York Besucher aus. In holprigem Englisch mit starkem Allgäuer Akzent erkundigte er sich, ob die Baustelle Second Avenue, Ecke East soundsovielte endlich fertig sei. Damit schien er tatsächlich den Chauffeur zu beeindrucken. Vor allem jedoch animierte er ihn zu einer längeren Ausführung über Baustellen im Allgemeinen und Straßensperren im Besonderen. Und dann kam noch ein kleiner Exkurs in die europäische Vergangenheit seiner Familie. Sein Großvater mütterlicherseits hätte bis zu seinem zwölften Lebensjahr überhaupt keine Straßen gekannt und als Kind meilenweit auf unbefestigten Wegen zur Schule gehen müssen. Und dergleichen Historisch-Landeskundliches mehr.
Benedict ließ mich im Glauben, er selbst sei der generöse Stifter dieser Reise, und darum entschuldigte er sich quasi im Voraus, dass das Hotel nicht ganz so schick sei, wie das, in dem er beim letzten Mal logiert habe. Den Namen von S. S. sprach er freundlicherweise nicht aus, worum ich ihn eindringlich gebeten hatte. Doch er schlug vor, wir könnten dort einen Kaffee trinken. Als ob ich scharf drauf wäre, zu der Stätte zu pilgern, wo er es mit meiner Intimfeindin getrieben hat!
Nach Benis Vorwarnung war ich von dem Hotel, einem renovierten Bau aus den Zwanziger Jahren, sehr angenehm überrascht. Noch mehr überraschte es mich allerdings, als er zwei Schlüsselkarten ausgehändigt bekam. Nur weil es mir die Sprache verschlug, brachte ich weder Frage noch Kommentar dazu über die Lippen. Mit der größten Selbstverständlichkeit war ich davon ausgegangen, dass wir uns ein Laken teilen und, wie gehabt, die Freuden der körperlichen Anziehung zelebrieren würden. Die Irritation über den Quasi-Korb, der meine sorgfältig geplante Dramaturgie über den Haufen zu werfen drohte, wurde noch übertroffen von jener darüber, dass er, Benedictus Oeconomicus Hanner, zwei Zimmer für uns bestellt haben sollte. Das passte nämlich hinten und vorn nicht zu ihm! Selbst wenn er keine Intimität mit mir wünschte – was ich auch bezweifelte – wäre er mit Sicherheit zu geizig, deswegen zwei Zimmer zu bezahlen. Es gab aber sehr deutliche Anzeichen dafür, dass er sehr wohl nächste Nähe begehrte, ja, dass er es kaum erwarten konnte, bis wir zur Sache kämen. Im Flieger fing’s an, und im Taxi wurde er noch etwas kühner. Während der Fahrer seinen Monolog abspulte, ging Benis Hand auf Erkundungsreise in vor Kurzem noch wohvertraute Gefilde. Jetzt, in der Lobby, verriet ihn sein Blick. Und mein Blick auf seine Mitte verriet mir auch einiges. So groß konnte sein Respekt vor Goldlocke gar nicht sein, dass er der Versuchung widerstehen wollte. Zumal ihn im Moment sehr viel und sehr tiefes Wasser von ihr trennte. Es gab nur eine Möglichkeit: Sie steckte tatsächlich hinter dem Arrangement und verlangte natürlich getrennte Zimmer und absolute Keuschheit. Das gab der Sache, wenn ich es recht bedachte, ja noch einen zusätzlichen Kick! Im Aufzug blickte er auf die beiden Magnetkarten und dann fragend auf mich. Er schien vergessen zu haben, sich rechtzeitig eine Erklärung zurechtzulegen. Von mir kam kein Ton. Ich hatte beschlossen zu schweigen. Schweigen, lächeln und meinen ganz persönlichen Abschied zelebrieren!
»Dann schauen wir uns die Zimmer doch mal an und suchen das schönere für uns aus«, brachte er schließlich hervor, grinste, rückte mir ein wenig näher und küsste mich auf den Mund.
Na bitte, Punkt eins wäre geklärt. Alles kann nach Plan ablaufen! Das erste Zimmer war – na ja – ganz nett, bloß ging der Blick auf eine ziemlich nahe Hauswand. Das zweite war richtig hübsch. Es bot Aussicht auf einen kleinen Park, war hell und plüschig-gemütlich möbliert.
»Das nehmen wir«, schlug ich vor. Beni war
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