Liebling, Ich Kann Auch Anders
dahintersteckte.
Der war allerdings weit ab vom Schuss. Momentan für zehn Tage in den USA. Zu Beginn der Schulferien, wollte die Familie zur Ferienvilla in Cinque Terre reisen, wo jedes Jahr ein großes Familientreffen stattfindet. Die Kinder würden länger bleiben, die Eltern jedoch nach einer Woche zurückkehren.
»Falls er nicht alle Pläne über den Haufen wirft«, sagte sie, als ich sie darauf ansprach. »Aber glaub mir, das juckt mich nicht mehr, als wenn irgendwo in China ein Sack Reis umfällt.«
Ich war mir jedoch todsicher, dass es nicht seiner physischen Anwesenheit am See bedurfte, um ihre Pläne voranzutreiben. Eva führte etwas im Schilde. Unter Garantie! Und wenn ich an die Intensität, dachte, mit der sie ihn zunächst angebetet hatte und nun verabscheute, war mir klar, dass sie es richtig krachen lassen würde. Alles andere widerspräche dem Temperament, das hinter ihrem schönen Gesicht schlummert und hinter ihrem wohlgefälligen Auftreten brodelt. Letzteres war allein auf bürgerliche Dressur zurückzuführen, entsprach aber so gar nicht ihrer Natur.
Da Sibylle ein paar Tage Zeit hatte, beschlossen wir spontan, Eva zu besuchen, um gegebenenfalls das Schlimmste zu vereiteln.
Im gelben Porsche preschten wir am Morgen über die A 96 nach Lindau, fuhren am See entlang bis Meersburg und nahmen die Fähre nach Konstanz. Es war ein Bilderbuch-Sommertag, und wir reisten natürlich mit offenem Verdeck.
Seit dieser Erfahrung kann ich allen Mädels, die auf die Schnelle – möglicherweise ausschließlich für Schnelles – einen Mann aufgabeln wollen, nur raten, sich für einen Tag ein Porsche-Cabrio zu leihen. Sie reißen damit vermutlich nicht den Vater ihrer Kinder auf (zumindest keinen miterziehenden), aber sie können das Thema Einsamkeit garantiert für eine ganze Weile vergessen.
Wir wurden verfolgt, angeblinkt und -gewinkt, fanden bei einem Stopp an der Raststätte nicht nur zwei bereitwillige Kavaliere, die uns einladen wollten, sondern danach Visitenkarten und Handynummern hinter den Scheibenwischern und auf den Ledersitzen. Sibylle zuckte mit den Schultern, lächelte gelangweilt und warf das Adressenmaterial in den nächsten Mülleimer. Sie war dergleichen wohl gewohnt. Auf der Fähre erlebten wir ganz Ähnliches. Porsche-Damen scheinen bei vielen Männern genauso hoch im Kurs zu stehen wie Porsche-Männer bei vielen Frauen. Eine Einschätzung, von der mancher Glatzen-, Bauch- und Dünkel-Träger sein unerschütterliches Selbstbewusstsein herleitet.
Eva war entzückt über unsere Blitzattacke und konnte sich kaum beruhigen wegen meiner renovierten Erscheinung. Das verblüffte mich gewaltig, denn ich hatte weder erwartet, dass der Unterschied ihr so sehr ins Auge stechen noch sie derartig beeindrucken könnte.
»Du siehst fantastisch aus, Eliza! Mädels, gratuliere, da habt ihr wirklich Großartiges geleistet!«
Sie wollte uns beide in Leos Wohnung unterbringen, was mit etwas Improvisation sehr wohl möglich gewesen wäre. Aber Sibylle überließ mir neidlos das improvisierte Nachtlager. Sie zog lieber ins ›Riva‹, das feudale Fünfsternehotel in der Seestraße, das von unserem aktuellen Domizil zu Fuß keine fünf Minuten entfernt war.
»Frühstücken in großen Hotels ist eine vorzügliche Gelegenheit, um Klienten zu akquirieren.«
Der Erfolg gab ihr schon tags darauf recht.
Am Nachmittag unternahmen wir einen Ausflug in Sibylles Wagen. Ich quetschte mich in den Fond hinter meine Freundinnen, und dann fuhren wir um den Untersee herum, vorbei an den historischen Stätten von Evas Lovestory, badeten im Strandbad von Mammern, tranken in Stein am Rhein im ›Chlosterhof‹ Kaffee und kauften schließlich auf der Insel Reichenau beim Fischer frische Bodenseefelchen. Die grillten wir am Abend bei einem Picknick am Strand in der Nähe von Leonardos Wohnung.
Leonardo leistete uns Gesellschaft, und ich muss gestehen, er sah besser aus denn je. Dazu trug zweifellos auch seine Sommerbräune bei. Aber mir kam es vor, als sei er auch männlicher, sicherer und reifer geworden in den letzten Monaten. Die förderliche Energie einer beglückenden Liebe!
19
Bevor wir zu Bett gingen, ließen Eva und ich auf dem Balkon mit Blick auf den nächtlichen See die Glanzpunkte des Tages noch einmal Revue passieren. Ich war sehr froh, dass wir diesen spontanen Ausflug unternommen hatten. Eva auch, wie sie mehrfach betonte. Schließlich konnte ich meine Neugier nicht mehr zügeln und fragte
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