Liebling, Ich Kann Auch Anders
siegessicheres Grinsen wäre komplett aus den Fugen geraten. Aber ich würde den Korken nicht ziehen. Der böse Geist bliebe gebannt. Meine Mutter hat mir schließlich beizeiten beigebracht, was Taktgefühl bedeutet. Mit Bedauern in der Stimme beschied ich ihr: »Vielleicht ein andermal, aber im Moment habe ich überhaupt keine Zeit.«
»Ah ja, die neue Liebe …« Sie schenkte mir eine Grimasse, die vermutlich ein komplizinnenhaftes Lächeln zum Ausdruck bringen sollte.
»Genau – die ganz neue Liebe zum geschriebenen Wort.«
»Aha? – Bist du etwa fremdgegangen?«
Ich lächelte. Viel sagend und noch mehr verschweigend.
»Verrätst du der lieben Siggie, welcher Verlag dich geködert hat?«
»Noch keiner. Ich will erst noch ein Stück vorankommen.«
»Vorankommen? Womit? Ich verstehe nicht richtig.«
»Hat dir … ähm … Benedict denn nicht erzählt, dass ich an einem Roman schreibe?«
»Du an einem Roman? – Kein Mensch hat mir ein Wort gesagt! Ist ja rasend interessant. Was Hochgestochenes?«
»Aber nein! Das hab ich ja im Job schon genug. Was ich für mich schreibe, dient eher der Entspannung.«
»Super! Lass hören!«
Ich zuckte die Schulter, vermittelte ihr jedoch mit einem kleinen Lächeln das Gefühl, mich überredet zu haben, mein intimstes Geheimnis zu offenbaren. »Na ja, es geht um ein paar Singles auf der Suche nach der großen romantischen Liebe …« Ich lachte etwas verlegen. »Und um all die Bauchlandungen, die sie dabei erleben.«
»Klingt absolut spannend …«
»Es ist ein Buch für Frauen, die Männer besser verstehen wollen. Und für Männer, die sich dafür interessieren, was Frauen wünschen.«
»Aha, und dafür bist ausgerechnet du die große Expertin?«, fragte sie süffisant grinsend. Der winzige junge Spross meiner aufkeimenden Sympathie für sie verdorrte auf der Stelle.
Nach Auffassung deines Lovers weiß ich zumindest in puncto Sex ganz gut, was Männer wünschen, meine Böse. Jedenfalls weit besser als du. Köstlich, dergleichen Sätze in petto zu haben und souverän darauf zu verzichten, sie auszusprechen!
Aber als Unverschämtheit empfand ich es schon, dass sie mir zwar zutraute, mich in alle möglichen Autoren so gut hineinversetzen zu können, dass ich ihre Werke richtig interpretierte, sie mir hingegen die Reife und Fähigkeit abzusprechen schien, über entsprechende Erfahrung und eigenständiges Wissen zu verfügen. Wie gern hätte ich es ihr gezeigt, dieser albernen Schießbudenfigur!
Das gemeinsame Projekt von Eva und Leonardo kam ins Rollen. Nachdem schon ein Wochenmagazin einen Bericht gebracht hatte, trafen erste Anfragen von Fernsehanstalten ein. Die beiden verhielten sich jedoch zunächst noch reserviert, da einige Sender auf Exklusivität erpicht waren oder eine Sperrklausel von mehreren Monaten vorsahen, während derer sie zu diesem Thema nirgendwo sonst hätten auftreten dürfen.
Evas und Davids Projekt entwickelte sich ebenfalls. Wollis chaotisches Liebesleben sollte irgendwann als Buch herauskommen, was allerdings voraussetzte, dass Eva sich weitere Episoden einfallen ließ. Da Leonardo inzwischen als Lieferant nicht mehr sonderlich ergiebig war, musste sie ihre Fantasie aus anderen Quellen speisen.
Es ist ja tatsächlich so, dass glücklich Liebende für die Umwelt einen geringen Unterhaltungswert haben. Klar freuen wir uns, dass es sie gibt, denn sie nähren unsere Hoffnung, auch wir selbst könnten eines Tages von Glück und Erfolg in der Liebe flauschig umhüllt werden. Aber ansonsten erscheint uns ein Paar, das in makelloser Eintracht auftritt, eher langweilig. Um wie viel spannender sind da doch Betrügereien, Eifersuchtsdramen und Nervenkollapse!
Magnus’ Spielereien im Netz fanden also immerhin in den Wolli-Episoden einen amüsanten Niederschlag. Und überhaupt sah sich Eva selbst zunehmend in der Rolle des chaotischen Wolli.
Mir war auch klar, dass die Berichte über meine New York Reise ebenfalls Stoff abwerfen würden. Am liebsten hätte ich ihr alles im Detail von Angesicht zu Angesicht erzählt, aber auf meine gebetsmühlenartig wiederholte Frage, wann sie endlich nach München zurückkehre, erhielt ich stets neue aufschiebende Auskünfte. Zum einen meinte sie, Leonardo brauche sie wegen des Projekts dringender denn je, zum anderen hielt sie es für unsinnig, im Sommer den Bodensee zu verlassen, um sich in der Hitze der Großstadt abzuquälen. Ich vermutete jedoch, dass in Wahrheit Big Magnus
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