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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Grund und Boden schämen. Dass mein Verhalten alles andere als moralisch sauber war, wurde mir sofort bewusst. Aber ich genoss einfach die Genugtuung. Wenn sich die Skrupel dann einstellen, weiß ich genau, an wen ich mich wenden kann, um mein Rückgrat wieder aufrichten zu lassen: meine pragmatisch denkende und strategisch handelnde Freundin Sibylle.

     
    Ich hatte mich dazu entschlossen, Maledict einen schönen großen Blumenstrauß zu schicken. Warum nicht weiße Lilien? Manche Leute betrachten die ja als Beerdigungsblumen, aber ich mag sie gern, zumal ihr betörender Duft mich immer in andere Sphären befördert. Das mit den Beerdigungsblumen war so daneben nun auch wieder nicht. Schließlich musste er ja eine Illusion begraben. Ganz sicher war mein Strauß geeignet, seiner stinkenden WG ein ganz neues Flair zu verpassen und ihm einen Eindruck davon zu vermitteln, was ein stilvoller Korb ist.
    Mir ist sowieso unerklärlich, warum Männer so wenig Gebrauch von der noblen Geste machen, die ein Blumenstrauß zum Abschied darstellt. Keiner der Typen, die mich, ihre hilfreiche Kumpel-Freundin, hängen ließen, um ihr Herz an eine neue Zicke zu hängen, hatte sich je mit einem Strauß von mir verabschiedet. Obwohl sie mir doch angeblich alle so dankbar waren! Dabei könnte ein ordentliches Bouquet jedem, der als Deserteur, Betrüger oder Feigling dasteht, die einmalige Gelegenheit bieten, seinen Abgang ein wenig würdiger zu gestalten.
    Natürlich ändern Blumen nichts an den Fakten, aber ich bin überzeugt, dass sehr viele Frauen ihre Tränen lieber auf schöne Blumen als in ihre leeren Hände tropfen lassen würden.

18

    »Zugegeben, das Glücksgefühl, das aus Liebe entsteht, hat eine andere Qualität als jenes, das sich nach erfolgreich vollzogener Rache einstellt. Aber Letzteres ist keineswegs zu verachten, denn es verleiht eine erstaunliche Dynamik«, erklärte ich nicht ohne ein Fünkchen Triumph Sibylle, die mir auf die Schilderung der jüngsten Begebenheiten hin ihr Kompliment aussprach. Sie betrachtet mich ja seit unserer Großaktion als ihre Schülerin und verbucht folglich all meine nach ihrem Dafürhalten positiven Regungen auf ihrem Erfolgskonto. Darf sie gern! Ich gönne es ihr, zumal sie ja nicht ganz falsch liegt. Und mir erst recht.

     
    »Dachte ich es mir doch – es steckt ein Mann dahinter!«, kreischte Krieglinde, als ich ihr zwei Tage später in der Maximilianstraße über den Weg lief. »So wie du aussiehst, musst du über beide Ohren verknallt sein! Kein Wunder, dass der arme Benedict keinen Fuß bei dir auf den Boden gekriegt hat!«
    Ha, wenn du wüsstest! Er hat sogar zwei Füße in jenes New Yorker Bett gekriegt, meine Grausige, für das du die Spesenrechnung in Empfang genommen hast. Aber ich werde dir nicht widersprechen. Du gefällst dir ja so gut in der Rolle der Neunmalschlauen!
    Sie entblößte beim Lächeln ihr teures Gebiss bis auf den letzten Zahn, außerdem war sie zu stark geschminkt und wirkte insgesamt furchtbar synthetisch. Doch ich registrierte mit Erstaunen, dass nicht mehr eine Spur des Hasses der letzten Wochen in mir hoch brodelte. Eher etwas Mitleid, mit einer Frau, die sich gewaltsam auf jung zu trimmen versuchte. Mit allerhand kosmetischen Maßnahmen und einem jungen Lover, der sie betrogen hatte und wieder betrügen würde. Einem niedlichen Egoisten, der ihr ganz bestimmt nicht half, die Angst vor dem Älterwerden mit Gelassenheit und Humor in den Griff zu kriegen, sondern der sie wie eine ausgezuzelte Weißwurschtpelle ablegen würde, sobald sich Ergiebigeres fände.
    Nicht, dass ich sie jetzt ins Herz schließen wollte oder etwa auf einen Frauenplausch zu mir einladen – das nicht. Aber sie erschien mir plötzlich menschlich und verletzlich. Ich verspürte ein Quäntchen weiblicher Solidarität für sie, ahnte, dass Maledict sie noch tiefer verletzen würde, als er mich verletzt hatte, und gestand mir ein, dass ich ganz schön ungerecht zu ihr war.
    »Vielleicht überlegst du es dir doch noch mal«, meinte sie voll Zuversicht. »Es soll bestimmt nicht dein Schaden sein. Wir haben nämlich noch viel vor mit Benedict!« Wieder entblößte sie ihr Dentalkunst-Objekt bis ins letzte Glied, sodass mich ein bisschen fröstelte. »Das gilt auch für mich ganz persönlich …«
    Es ist zwar verwerflich, aber ich genieße trotz allem solche Momente, in denen ich mir meiner Macht – in einer gut verkorkten Flasche – bewusst sein kann.
    Ein Satz – und ihr

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