Lieblingsstücke
großzügig.
Für die nächsten anderthalb Stunden habe ich meine Ruhe, und da heute Morgen nicht viele Kunden da waren, komme ich dazu, einiges wegzuschaffen. Ich verpacke immerhin ein gutes Drittel der Waren, die in meinem Keller auf ihre neuen Besitzer warten. Achtundzwanzig Auktionen enden in den nächsten vierundzwanzig Stunden – da sollte
man vorbereitet sein. Wenn ein eBay-er etwas ersteigert hat, will er es auch möglichst schnell haben.
Friedhelms Surfbrett hat immer noch keinen Interessenten gefunden. Für mich nicht weiter verwunderlich. Es ist sozusagen ein Surfbrett der ersten Stunde. Aber der Markt für antiquarische Surfbretter ist wohl leider klein. Dabei habe ich textlich mein Bestes gegeben – ich habe nämlich behauptet, dass Robby Naish auf genau so einem Surfbrett seine ersten Wellen erobert hat – und mich damit quasi selbst übertroffen. Schließlich ist Friedhelm unser Nachbar, und da will ich doch beweisen, dass ich was drauf habe. Friedhelm erkundigt sich ständig nach seinem Sportgerät, gerade so, als hätte er sich das Teil aus dem Herz reißen müssen. Dabei kann man sich Friedhelm nun wirklich nicht auf einem Surfbrett vorstellen. Friedhelm hat etwas Stocksteifes und optisch so gar nichts von diesen blondhaarigen, braungebrannten Surferboys. Wenn sich Friedhelm auf so ein Brett stellen würde, hätte man bei seiner offensichtlichen Ungelenkigkeit direkt Angst um ihn. Anscheinend hat er es jetzt sogar selbst eingesehen und deshalb beschlossen, das Brett auszumustern. So eine Entscheidung kann natürlich etwas sehr Bitteres haben, schließlich trennt man sich nicht nur von einem Surfboard, sondern auch von einer Illusion der eigenen Person. Ich weiß, wovon ich rede, habe ich doch neulich meine 29 er Jeans versteigert. Wenn das mit dem Brett allerdings weiter so geht, kann sich Friedhelm seine Illusion noch ein Weilchen erhalten. Es klopft an meine Bürotür.
Papa hat ausgeschlafen. Er sieht blendend gelaunt aus. »Ich habe die Sache mit deiner Tochter geklärt. Sie ist einverstanden, dass Mark in ihrem Zimmer schläft. Kein Problem mehr«, grinst er mich an.
»Wie denn das?«, will ich sofort wissen. Man kann auch als Mutter durchaus noch lernen.
»Sage ich nicht, wir haben eine Abmachung. Alles geheim«, kichert er. Da kann nur eine Form von Bestechung gelaufen sein. Aber bitte. Mein Vater ist ja erwachsen, auch wenn ich heute Morgen mal kurz daran gezweifelt habe.
»Jetzt will ich ins Internet«, macht mir Papa meinen Arbeitsplatz streitig. »Ich muss üben, wenn ich dir helfen soll.«
Okay, es wird sowieso Zeit, Mark zum Fußball zu kutschieren.
»Amüsier dich«, sage ich zum Abschied.
»Mark, Zeit fürs Training«, beende ich seinen ungewöhnlichen nachmittäglichen Fernsehmarathon. Er will nicht.
»Mir tun die Beine weh«, begründet er seine Unlust.
»Wenn du sie mal wieder bewegst, wird es dir sicher besser gehen«, bleibe ich in diesem Fall hart.
Sport muss sein, das hat sich in Mütterkreisen rumgesprochen. Man liest ja permanent, dass diese junge Generation motorisch einiges aufzuholen hat. Aber es geht nicht nur darum, die Kinder in Form zu halten oder zu bekommen, auch aus sozialen Überlegungen heraus wird Sport propagiert. Besonders Teamsport schult die soziale Intelligenz. Angeblich. Mein Sohn lernt auch in anderer Hinsicht herrlich dazu.
Sein Vokabular hat sich erstaunlich vergrößert. Er kann »Ich ficke deine Mutter« auf Türkisch – es heißt so was wie: »Anani sikeyim« – und alternativ auch: »Ich fick dich in den Arsch« – Götünü sikeyim. Fremdsprachenkenntnisse sind selbstverständlich etwas sehr Schönes. Ich finde allerdings, dass er sein Türkischrepertoire doch noch etwas erweitern könnte. Neben diesen beiden Ausdrücken
steht das Wort Kackbratze bei ihm zurzeit hoch im Kurs. Im Vergleich geradezu eine Nettigkeit. Ginge es um meine eigene Bequemlichkeit, könnte ich auf die diversen Sportaktivitäten der Kinder gut verzichten. Leider gibt es noch keinen Verein, der die Kinder abholt und wieder nach Hause bringt. Eindeutig eine Marktlücke. Muss ich sofort auf der passenden Liste notieren. Welch eine Entlastung das wäre. Und gar nicht mal so aufwendig für die Vereine. Mit einem Kleinbus von Haus zu Haus, Kinder einsammeln und nachher wieder zurückbringen. Ich glaube, dafür würden viele Eltern gerne was springen lassen.
Während er seine Sportschuhe sucht, habe ich Zeit, nochmal mit meiner Tochter zu sprechen. Eine gute
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