Lieblingsstücke
Sache so ein Vater im Haus. Ein permanenter Babysitter. Das schafft ganz neue Perspektiven für eventuelle Sozialkontakte oder lauschige Abende zu zweit. Weggehen zu können, ohne vorher einen Babysitter organisieren und vor allem kalkulieren zu müssen, ob einem ein Kinofilm wirklich so viel wert ist. Denn man muss ja zum Eintritt und dem Popcorn immer noch die Kosten für den häuslichen Aufpasser rechnen. Da kommen locker zwanzig oder fünfundzwanzig Euro zusammen. Allein nur für den Babysitter. Und das führt oft dazu, dass man dann doch lieber wartet, bis der Film auf DVD rauskommt.
Ab und an übernehmen meine Schwiegereltern das Sitten. Aber man will die Verwandtschaft ja nicht ausbeuten. Und es macht mich ehrlich gesagt auch ein bisschen nervös, sie alleine in meinem Haus zu lassen. Nicht weil ich ihnen nicht zutraue, auf die Kinder aufzupassen, das ist überhaupt kein Problem. Es geht eher darum, dass meine Schwiegermutter es nicht schafft, einfach so auf der Couch zu sitzen. Wenn sie schon mal da ist, bügelt sie oder wischt schnell mal die Küchenschränke aus. Das ist eigentlich eine grandiose Sache, andererseits aber auch irgendwie beschämend. Schon deshalb räume ich jedes Mal auf, bevor meine Schwiegermutter kommt. Mein Vater wird sicher nicht auf die Idee kommen zu bügeln, insofern muss ich auch kein schlechtes Gewissen haben. Eine perfekte Lösung.
Ich bin kurz vor halb acht bei meiner Mutter und sehe
als Erstes Birgits Auto. Das ist unglaublich. Birgit und ich sind wie Hase und Igel. Ich falle immer wieder auf sie rein, ich Hase. Am liebsten würde ich direkt nach Hause fahren. Doofe Kuh. Ich unterdrücke meinen Zorn und klingele an der Tür meiner Eltern. Meine Mutter öffnet. Sie sieht aus wie immer. Was habe ich auch gedacht? Schließlich verändert einen Untreue ja nicht optisch.
»Hallo, Andrea, komm rein, Birgit ist schon da«, begrüßt sie mich und klingt eigentlich ganz normal.
Ich dachte, ihr »Vergehen« würde ein bisschen ihrer Selbstsicherheit nehmen. Da habe ich mich wohl getäuscht.
»Hallo, Mama«, lasse ich zunächst auch mal alle Vorwürfe außen vor. »Denk dran«, eröffnet sie das Gespräch, »dein Vater hat einen hohen Blutdruck. Der muss sich bewegen. Und nicht zu viel Cholesterin. Und er soll seine Beta-Blocker nehmen. Und gib ihm auf keinen Fall den Salzstreuer.«
Jetzt könnte ich mal kurz anführen, dass sein Blutdruck durch ihr Verhalten wahrscheinlich auch nicht gerade gesunken ist, schlucke die Bemerkung aber runter.
»Mama, er ist erwachsen«, erinnere ich sie.
»Das denkst du«, spöttelt sie. »Wie geht es ihm denn?«, will sie dann wissen.
»Gut«, sage ich nur knapp.
Sie muss ja nicht sofort erfahren, dass er schon das ein oder andere Tränchen verdrückt hat.
»Aha«, zeigt sie wenig Reaktion.
Wir setzen uns ins Wohnzimmer. Birgit grinst mich zur Begrüßung nur an.
»Ich musste Desdemona in die Tanzstunde fahren, deshalb war ich ein wenig früher hier.«
Dass ich nicht lache. Den Scheiß kann sie sonst wem erzählen. Immerhin scheint sie zu bemerken, dass mir dieses Ich-bin-Erste-Getue echt auf den Wecker geht, sonst hätte sie das Gespräch sicher nicht mit einer Rechtfertigung gestartet. Ich beschließe, nicht weiter drauf einzugehen.
»Mama, leg los, was ist eigentlich passiert?«, starte ich unser kleines Mutter-Töchter-Verhör.
Meine Mutter zuckt mit den Achseln.
»Ich weiß gar nicht, was hier für ein Aufruhr herrscht. Ich hatte Sex. Ja. Und eindeutig nicht mit eurem Vater. Ja. Und? Was nun? Teeren und federn oder steinigen?«
Das klingt nicht nach Reue und Entschuldigung. Eher ein wenig unwirsch und fast schon provokant. Dass sie so schnell zur Sache kommt, passt auch nicht wirklich zu ihr.
»Eigentlich weiß ich auch gar nicht, was euch das angeht«, redet sie weiter. »Das ist was Privates und ich denke, ich muss meinen Töchtern, die sicherlich schon reichlich Sex mit anderen Männern, außer mit ihren Ehemännern, hatten, keine Auskunft geben.«
Das wäre eigentlich der Moment, wo wir aufstehen und nach Hause gehen sollten. Wer nicht will – der hat schon. Im Prinzip ist das, was sie da sagt, ja auch nicht ganz falsch. Schließlich ist sie alt genug, Sex zu haben, mit wem sie will. Allerdings habe ich einen Großteil der Konsequenz ihrer Exzesse zu tragen. Immerhin lebt ihr Mann, mein Vater, jetzt bei mir.
»Du zerstörst eine Familie«, wirft Birgit gleich mit ganz dicken Moralbrocken um sich.
»Na ja«, versuche ich, den
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