Lieblingsstücke
keine Ahnung hätte, aber eine detailgetreue Brustbeschreibung liefern könnte. Christoph ist von dem Kompliment mindestens so beseelt wie ich. Weil ich seine Frau bin. Dieses Besitzdenken stört mich, aber ich bin auch nicht frei davon.
Nach dem gesetzten Essen und harmlosen Plaudereien geht’s an die Bar. Christoph ist kein großer Tänzer, und ich bin froh, auf den Schuhen überhaupt noch stehen zu können. An Tanzen ist mit den Dingern jedenfalls nicht zu denken. Immer mehr Kollegen kommen an die Bar, und wir trinken herrliche Mojitos. Die Stimmung ist gut.
Auf einmal gesellt sich Helge zu uns. Helge ist ein ehemaliger Kommilitone von Christoph. Ein kleines Männchen mit einem riesigen Ego. Ich habe Helge bisher erst zweimal erlebt. Mein Bedarf ist damit absolut gedeckt. Auch diesmal macht Helge seinem Angeberruf alle Ehre. Schwierigste Prozesse, eigentlich nicht zu gewinnen, und man ahnt es, lange bevor es zum verbalen Showdown kommt – natürlich hat der kleine Helge das Unmögliche möglich gemacht und, zur Überraschung aller, spektakuläre Siege errungen. Die Kollegen sind ergriffen und begeistert. Nachdem Helge klargestellt hat, dass er beruflich ganz oben ist, sich einen tollen Porsche gekauft hat, geht’s ans Private.
»Da hat sich einiges getan!«, ergeht er sich in Andeutungen.
»Hast du geheiratet?«, frage ich.
Er lacht. Ein bisschen zu laut und ein bisschen unnatürlich. »Wo denkst du hin? Ich bin doch nicht blöd!«
Was ja nichts anderes heißen kann als: nicht so blöd wie dein Mann. Und du. Und überhaupt die meisten hier. Unverschämter Zwerg! Bevor ich ihm nach nunmehr drei Mojitos genau das sagen kann, redet er weiter.
»Ich war letzte Ferien in Tansania, da hab ich mir was mitgebracht.« Wieder folgt ein satter Lacher.
»Einen schönen Tripper, oder was?«, will ich ganz freundlich wissen. Die Anwesenden erstarren. Mein Mann tritt leicht gegen mein Schienbein. Aber Helge lacht. Der Zwerg ist Vieles, aber nicht besonders empfindlich.
»Witzig die Andrea, witzig. Aber wie schon erwähnt, ich bin doch nicht blöd. Mitgebracht habe ich die Zaituni. Aus Tansania nach Bornheim.« Wieder ein Riesenlacher.
»Kommt sie aus der tansanischen Hauptstadt?«, zeige
ich Interesse und versuche, meine etwas geschmacklose Tripperbemerkung wieder gutzumachen.
»Jo«, grinst Helge. »Direkt aus Daressalam. Hauptstadtimport sozusagen.«
»Ich will ja nicht kleinlich sein«, unterbreche ich ihn, »aber die Hauptstadt von Tansania ist Dodoma.«
Wieder großes Lachen. »Andrea, ich war da. Was weißt du schon. Daressalam heißt die Hauptstadt. Kannst du mir schon glauben. Der Helge weiß Bescheid. Der Helge kennt sich aus.«
Das ist einer dieser Momente, die ich immer herbeigesehnt habe. Mein Auftritt.
»Helge«, versuche ich, möglichst ruhig zu bleiben und nicht schon zu früh zu triumphieren, »da wette ich jederzeit um alles mit dir. Dodoma ist die Hauptstadt.« Ich verkneife mir ein dusseliges »Die Andrea weiß es besser«.
Er haut mir freundlich nachsichtig auf die Schulter. »Habt ihr es so dicke, dass du alles verwetten kannst?«, fragt er mit einer gewissen Überheblichkeit in der Stimme.
»Das nicht. Aber ich bin mir sicher.« Wieder ein Tritt von Christoph.
»Fünfhundert Euro!«, sage ich nur.
Helge schaut auf Christoph. Fast so, als wäre ich minderjährig und dürfte nur mit Einwilligung meines Erziehungsberechtigten wetten.
Der zuckt sofort zusammen. »Lass mal, Andrea, der Helge war doch da. Der wird es schon wissen«, versucht er meinen Eifer zu bremsen.
Mittlerweile haben wir das Interesse der Umstehenden geweckt. Ich denke nicht daran, Ruhe zu geben.
»Los, Helge, was ist, fünfhundert Euro. Ich sage Dodoma und du Daressalam. Abgemacht?«
Christoph versucht jetzt, mich zur Seite zu ziehen. »Du hattest schon ein paar Mojito, lass das mal, Andrea.«
Jetzt erst recht. »Helge was ist, bist du dabei? Traut sich der Helge?«, werde ich jetzt ein bisschen lauter.
»Bitte, Andrea, wenn du gerne fünfhundert Euro verlierst. Kein Problem. Ich bin dabei.« Er streckt mir seine Hand hin, ich wiederhole die Wette, »Dodoma gegen Daressalam« und schlage ein.
»Und woher kriegt ihr die richtige Antwort?«, fragt Matthias, ein blasser Mann, der als Staatsanwalt arbeitet.
»Lass uns die Zaituni fragen!«, schlägt Helge vor. »Die sollte ja wohl wissen, wie die Hauptstadt ihres Heimatlandes heißt«, lächelt er siegessicher. »Sie ist nicht die Hellste, im doppelten Wortsinn«,
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