Lied der Wale
die Daten über die bislang markierten Wale im Meer versunken. Doch man werde in dieser Richtung weiterarbeiten.
»Und wie wollen Sie die Tiere markieren, wenn Sie kein Schiff haben?«, erkundigte sich der Moderator nach dem offensichtlichen Widerspruch.
»Wir haben bereits Kontakte zu diversen Forschungseinrichtungen geknüpft und sind sicher, dass wir hier Kooperationen erzielen können, die uns unserem Vorhaben näherbringen.«
Plötzlich bemerkte David, dass er nicht mehr allein war. Leah und Joe standen hinter ihm im Kücheneingang – Leah ebenso überrascht und fassungslos wie David, Joe dagegen mit einemAusdruck von Abscheu. Deswegen war er also gekommen. Um David die schlechten Nachrichten persönlich zu überbringen.
David erhob sich von seinem Stuhl und umarmte seinen alten Freund und Kampfgefährten. »Schön, dich zu sehen.«
Leah kannte David inzwischen gut genug, um zu erkennen, wie schwer es ihm fiel, seinen Schmerz über das, was er eben gesehen hatte, zurückzuhalten.
»Das ist also das Aus für die SeaSpirit-Bewegung, nicht wahr?«, fragte Joe.
David nickte. »Es ist das Aus für unsere SeaSpirit-Bewegung.«
In der nächsten halben Stunde offenbarte ihnen Joe die jüngsten Entwicklungen. Steve hatte sich sofort nach dem Untergang der »SeaSpirit« um ein Büro bemüht und anschließend allen, die es hören wollten, seine Pläne mitgeteilt. Joe, Masao und auch Govind, der später zu ihnen gestoßen war, waren zunächst erstaunt, dass die Foundation über so viel Geld verfügte. Daraufhin führten sie mit Steve eine kurze Diskussion darüber, wie man das Geld in zwei neue Schiffe investieren könne und damit natürlich über ganz andere Möglichkeiten verfügen würde, den Walfängern auf den Pelz zu rücken. Auf Steves K. o.-Argument, er habe den alleinigen Zugriff auf das Geld, folgte die Ernüchterung.
Steve heuerte neue Mitarbeiter an, und die alten konnten nur staunend zusehen, wie generalstabsmäßig er diesen Coup vorbereitet hatte. Bis vor drei Tagen hatten sie noch geglaubt, Steve würde wenigstens ein Schiff kaufen, um mit den Markierungen fortfahren zu können, doch er setzte ihnen ohne Umschweife die Pistole auf die Brust: kein neues Schiff, und sie würden sich entscheiden müssen, ob sie im Büro mitarbeiten wollten oder nicht. An diesem Punkt seiner Erzählung lachte Joe bitter auf: »Ich am Computer, kannst du dir das vorstellen?«
Auf Davids Gesicht zeigte sich seit dem Morgen zum ersten Mal ein leichtes Grinsen.
»Sie können doch die Idee mit den Patenschaften nicht einfach klauen«, brauste Leah auf.
»Wie es scheint, doch.« Jetzt grinste auch Joe. »Aber sie haben keinen einzigen Wal, dem sie einen Paten spendieren können.«
»Wieso nicht?«
»Alle Daten sind mit der ›SeaSpirit‹ untergegangen, Leah, Software, Frequenztabellen der Sender – alles. Und auch der Zugang zu den Satellitendaten geht exklusiv über Govind. Er hat die Passwörter, so wie Steve das Geld hat. Er hat Govind ein Managergehalt angeboten, damit wenigstens das Know-how und der Zugriff auf den Satelliten erhalten bleiben, doch unser Vielfraß hat sich nicht kaufen lassen. Er hat schon drei andere Angebote, unter anderem von einer ziemlich bekannten Umweltschutzorganisation. Aber er wartet auf dich, David, wie wir alle. Nur van Gogh macht mir Sorgen. Wenn der nicht bald einen Job findet, der ihm was bedeutet, dann fürchte ich, dass er wieder im gleichen Sumpf landet wie früher.«
»Wo steckt Masao eigentlich, du hast doch gesagt, ihr kommt zu zweit?«, fuhr Leah hoch.
»Er wartet im Café unten an der Ecke«, antwortete Joe und tauschte einen Blick mit David.
Jetzt hatte sie die Faxen dick. Sie schnappte sich die Hausschlüssel und eilte wütend aus der Wohnung.
M asao saß allein vor einem leeren Teeglas und sah sie nicht kommen.
»Wenn du jetzt wegrennst, schrei ich, du hättest meine Handtasche geklaut, also bleib gefälligst sitzen.«
»Du hast keine Tasche«, sagte er mürrisch.
»Eben, du hast sie geklaut und sie deinem Komplizen gegeben,der da gerade um die Ecke rennt.« Leah schmunzelte und setzte sich neben ihn. »Hast du was gegessen?«
Masao schüttelte den Kopf, und sie bestellte für sie beide einen üppigen Lunch und etwas zu trinken.
»Gut, und jetzt will ich sofort wissen, warum du mich wie eine Aussätzige behandelst.«
»Mein Vater ist ein Dreckschwein, Leah, was er tut, ist ein Verbrechen. Ich war mir sicher, du arbeitest mit ihm zusammen.«
Leah erfuhr, dass
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