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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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nicht telefonieren, sie wollte dieses Gefühl mit David genießen, seine Haut, seinen Geruch, seine Stimme, ohne Unterbrechung, ohne Ende. Irgendwann gelang es ihr, das Klingeln zu verdrängen. Ihre Finger krallten sich in Davids Rücken, während seine Bewegungen heftiger wurden und das Telefon endlich kapitulierte. Kurze Zeit später lagen sie atemlos nebeneinander und hielten sich fest umschlungen. Selten in ihrem Leben hatte sich Leah so geborgen und gleichzeitig befreit gefühlt. Sie war bereits im Halbschlaf, als sich das Telefon erneut meldete. Verwirrt sah sie auf die Uhr und stellte fest, dass nur zehn Minuten seit der letzten Attacke vergangen waren. Sie rollte sich unter Davids Arm hervor und tastete nach dem Hörer.
    »Nicht«, murmelte David, der schon fast eingeschlafen war.
    »Doch«, erwiderte Leah, »es könnte meine Mutter sein.« Sie balancierte den Hörer ans Ohr und meldete sich. David erkannte augenblicklich, dass die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht Leahs Mutter gehörte.
    »Das ist aber eine Überraschung!«, rief Leah und setzte sich auf. »Es ist Joe! Er möchte uns morgen mit Masao besuchen kommen.«
    »Das ist fantastisch!« David freute sich; er hatte befürchtet, seine Mitstreiter hätten sich in alle Winde verstreut.
    Leah gab Joe ihre Adresse und sah, wie David mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief. Sie selbst konnte nicht einschlafen. Denn Joe hatte angedeutet, er müsse ihnen etwas mitteilen. Und seine Stimme klang nicht so, als ob es sich dabei um etwas Erfreuliches handelte.
    A m nächsten Morgen kämpfte David gegen die Tücken jener vermaledeiten original italienischen Espressomaschine, für deren Bedienung man entweder ein Ingenieursstudium oder ein hohes Maß an weiblicher Intuition benötigte – beides Dinge, mit denen er nicht dienen konnte. Dabei sah er zum Fernseher hinüber, den er gerade eingeschaltet hatte. Auf dem Bildschirm war das Gesicht eines Menschen zu sehen, den er seit mehreren Tagen vergeblich zu erreichen versucht hatte – Steve. Als dessen Bild verschwand, tauchte die »SeaSpirit« auf. Und gleich darauf sah David zum ersten Mal, wie sein Schiff, sein Zuhause, der ganze Inhalt seines bisherigen Lebens, im Meer versank. Als die Spitze des Mastes unter der Wasseroberfläche verschwand, wurde der Moderator des Morgenfernsehens wieder eingeblendet.
    David drehte die Lautstärke auf. »... freuen wir uns, heute Steve Benson im Studio begrüßen zu dürfen.«
    Applaus hallte aus dem Lautsprecher, während Steve im Bild erschien, vertrauenerweckend in die Kamera lächelte und winkte. Er lächelte genau die eine Sekunde zu lang, die David verriet, was nun folgen würde, jene Sekunde zu viel, die ein Lächeln in eine berechnende Geste verwandelte.
    »Steve, Sie haben in den letzten Wochen scheinbar Unmögliches geleistet – völlig unbemerkt von den Augen der Öffentlichkeit.«
    »Ja, wir haben die Organisation der SeaSpirit-Bewegung in neue Bahnen gelenkt. Wir glauben, dass es uns auf diese Weise möglich ist, dem Schutz der Wale einen größeren Dienst zu erweisen.«
    »Was konkret haben Sie unternommen?«
    »Oh, es ist nicht allein mein Verdienst – solch einen Schritt kann man nicht alleine gehen. Ich möchte mich bei all unseren Helfern bedanken und natürlich auch bei unseren Spendern, diedas Projekt erst möglich gemacht haben. Wir werden heute Mittag unser neues Gebäude in Malibu einweihen.«
    Es folgten Bilder eines hübschen und sicher nicht billigen Hauses, direkt an der Strandpromenade gelegen.
    David starrte gebannt auf den Fernsehschirm, und mit jedem Wort, das er aus Steves Mund hörte, versteinerte sich seine Miene ein Quäntchen mehr. Er musste der Geschichte lauschen, die er schon in seinem letzten Gespräch mit Steve auf der »SeaSpirit« hatte anhören müssen. Die SeaSpirit-Bewegung war jetzt ohne Schiff und würde es auch bleiben.
    »... Wir haben uns nicht immer ganz korrekt verhalten. Und wir mussten erkennen, dass unser Weg in die falsche Richtung lief.«
    Das Ganze wirkte wie eine Farce. Steve Benson, Geschäftsführer der SeaSpirit-Foundation, entschuldigte sich in aller Öffentlichkeit bei denen, die sie gemeinsam bekämpft hatten, die David fast umgebracht und die sein Schiff versenkt hatten.
    Dann erklärte er die Idee der Walpatenschaften, die man direkt über das Internet abschließen könne, und erläuterte das System der Markierungen, das man auf der »SeaSpirit« betrieben hatte. Leider seien mit dem Schiff auch

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