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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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Schiff stürzte nicht in jedes daherrollende Tal, die Wogen gingen vielmehr unter ihm hinweg, und bevor sich das Heck absenken konnte, saß der Bug schon auf dem nächsten Wellenkamm.
    Sam eilte herbei und half ihr aus dem Boot, dabei tunlichst darauf bedacht, die Decken nicht von ihren Schultern rutschen zu lassen.
    Leah versuchte sich einzureden, dass sie es in der Mitte desSchiffes wahrscheinlich am besten aushalten konnte. Dort, so hieß es, sei man der Wirkung des Seegangs weniger ausgesetzt. Während Vorder- und Hinterteil eines Bootes wie bei einer Wippe extreme Ausschläge zu verzeichnen hatten, ruhte es dort mehr oder weniger in der Balance. Zumindest hoffte sie das. Doch während derart feinsinniger Gedanken schien ein Reiz von ihrem Magen auszugehen, der ihr unmissverständlich klarmachte, dass er sich an die neuen Umstände erst zu gewöhnen hatte. Ehe sie es sich versah, klatschte dessen Inhalt vor ihre wackligen Beine.
    »Fängt ja heiter an«, kommentierte eine Stimme vom Oberdeck.
    Dort stand er und senkte seinen Blick auf sie herab. Das Gesicht braungebrannt, von der Seeluft gegerbt, die Haare mit Strähnen von Grau durchzogen, alles in allem kraftvoll, eine beeindruckende Erscheinung. Nur ein paar Falten mehr als damals. Ungerecht, dieses Klischee, dass sie Männer interessanter machten – was sie zweifellos bei ihm auch taten –, während Frauen dazu verdammt waren, beim Auftauchen erster zarter Linien besser gleich mit dem Leben abzuschließen. Oder für die Rechnung des Chirurgen zu sparen.
    »Ms Cullin, vielleicht über die Reling, wenn möglich?«
    Sie hasste FishGoods, sie hasste den Neoprenklugscheißer auf dem Schlauchboot, aber ihn hasste sie am meisten. McGregor wandte sich ab und setzte sein Gespräch mit einem Inder fort, der ihr offenbar zugrinste. Ja, macht euch ruhig lustig, ihr werdet schon sehen.
    Doch zuerst die Dusche. Heiß. Brühend heiß. Der einzige Befehl, den ihre Nervenbahnen derzeit weiterleiteten.
    Der Mann, der eben noch am Kran gestanden hatte, kam auf sie zu und streckte ihr seine Hand entgegen. Sein Gesicht zeigte ebenfalls Spuren des Lebens auf See, doch er war jünger und sein Blick nicht so verschlossen wie der von McGregor.
    »Steve Benson, willkommen an Bord der ›SeaSpirit‹, Ms Cullin.«
    Ihre Hände hielten die Decken von innen zusammen, um dem Wind keine Angriffsfläche zu bieten. Und sie war nicht gewillt, die Hülle um ihren nassen, frierenden Körper auch nur einen Spaltbreit zu öffnen.
    Er schien ihr Dilemma zu begreifen, legte einen Arm um ihre Schulter und ergriff mit dem anderen ihre Tasche. Er lotste sie ein paar Meter über Deck zum Eingang ins Innere des Schiffes.
    »Folgen Sie mir«, forderte er sie auf.
    Leah hatte nichts anderes im Sinn. Benson stieg eine Treppe hinab. Um ihm zu folgen, musste Leah den Schutz der Decken aufgeben, da der Boden unter ihr sich immer noch bewegte und sie es vorzog, ihre Hände entlang des Geländers die Führung übernehmen zu lassen.
    Steve drehte sich um. »Keine vierundzwanzig Stunden, und Sie werden den Seegang nicht mehr spüren. Ihr Gleichgewichtssinn wird Ihren Körper die Bewegungen des Schiffsdecks vollständig ausgleichen lassen.«
    Konnte der Typ nicht von etwas anderem reden als von sich bewegenden Schiffsdecks?
    Steve öffnete die Tür und stellte ihre Tasche auf den abgenutzten Tisch neben der Koje. Dort warteten bereits frische Handtücher auf sie.
    »Ich überlasse Ihnen meine Kabine, werde bei Sam unterkommen. Fühlen Sie sich hier wie zu Hause.«
    Steve zeigte ihr noch Dusche und WC, die sich wenige Meter entlang des Mittelgangs des Schiffs befanden.
    »Wenn Sie sich frischgemacht haben, kommen Sie einfach hoch in die Messe.«
    Sobald er aus der Tür war, riss sich Leah die nassen Sachen vom Leib. Das Zeug klebte an ihr wie eine zweite Haut. Schnellrubbelte sie sich mit den Handtüchern ab, wickelte das größte um ihren Körper und machte sich auf den Weg zur Dusche. Da das Schiff wieder in ein Wellental glitt, entschied sie sich, zuerst die der Dusche gegenüberliegende Toilette aufzusuchen. Hoffentlich würde sich dieser Aspekt der Reise bald erledigt haben, viel konnte ihr Magen nicht mehr hergeben. Sie nahm sich vor, die nächste Zeit keinen Bissen zu sich zu nehmen. Zwei, drei Tage, kein Problem. Und Nächte! Oh Graus, der Gedanke, in einer schwankenden Koje zu liegen, erschreckte sie.
    Gott sei Dank, die Dusche lieferte heißes Wasser. Bereits wenige Minuten unter dem Strahl ließen ihre

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