Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
Vom Netzwerk:
wieder in  den Hubschrauber herein. Ohne Tasche. Wie ein Stück Angelschnur, nachdem der Fisch den Köder vom Haken stibitzt hatte.
    FishGoods reichte ihr ein seltsam anmutendes Etwas, das im Wesentlichen aus Nylongebilden bestand, die nach einer nicht zu durchschauenden Anordnung miteinander verknotet waren.
    »O. k., wenn Sie jetzt bitte die Tragegurte umlegen.«
    »Tragegurte sind das? Wie soll ich die denn anlegen?«
    Sein Blick verriet mehr als sein Seufzer, was er gerade dachte. Weiber! Und sofort nahm der Mistkerl Platz eins auf ihrer Liste der Meistgehassten ein.
    »Wissen Sie, ich habe so was das letzte Mal vorgestern gemacht, und wenn ich das nicht täglich übe, komme ich aus der Routine ...«
    »Sie steigen hinein wie in eine Hose«, unterbrach FishGoods, »dann legen Sie den anderen Gurt um die Hüfte, lassen die Gurtschlösser einrasten und fertig.« Er musste gegen den Krach des Rotors anbrüllen, doch Leah konnte sich lebhaft vorstellen, wie sein Tonfall geklungen hätte, wenn sie dieses Gespräch an einem leiseren Ort geführt hätten. Wärst du jetzt an einem leiseren Ort, müsstest du dieses Gespräch gar nicht führen, meldete sich ihre Lieblingsstimme.
    Mit einem kaum verständlichen »Entschuldigen Sie bitte« faltete er das Gurtgewirr auf, griff dreimal um Leah herum, jedes Mal begleitet vom Klacken irgendwelcher Verschlüsse. Dann packte FishGoods wieder das Seil und hakte den Karabiner in eine Öse, die vor ihrem Bauch baumelte.
    »So, wir sind so weit. Und Sie wissen: Je eher wir den Zielhafen der ›SeaSpirit‹ kennen, umso besser.«
    Egoistisches Schwein! Erst mal musste sie da lebend ankommen.Welcher Teufel hatte sie bloß zu diesem wahnwitzigen Abenteuer getrieben? Sie setzte sich an den Rand der Tür.
    »Lassen Sie sich fallen«, hörte sie FishGoods bellen, »den Rest mache ich. Auf keinen Fall runterschauen!«
    Zu spät. Der Blick währte nur den Bruchteil einer Sekunde, doch er genügte, den ganzen theoretischen Zweifeln, die sie gerade erörtert hatte, eine reale Grundlage zu schenken. Wasser. Kaltes Wasser. Eiskalt. Wellen. Hohe Wellen, noch dazu aufgepeitscht durch den Rotor des Helikopters. Ein schaukelndes Schlauchboot im Zentrum, das sich nach einer sich ihr nicht offenbarenden Melodie bewegte. Mozarts »Requiem« vielleicht oder das Lied der gepeinigten Mägen.
    »Einfach fallen lassen, Ms Cullin!«
    Fuck you, FishGoods, wozu die Eile?
    Sie stemmte sich vom Boden des Helis ab und rutschte langsam nach draußen.
    Dann fiel sie. Nach einer gefühlten Unendlichkeit, während der sie tatsächlich nur fünfzig Zentimeter zurückgelegt hatte, strafften sich die Tragegurte. Sie federte leicht nach, dann hing sie in der Luft, ihr Schicksal am stählernen Faden, sozusagen.
    »Gute Reise«, verabschiedete sich Mr FishGoods. Und wie sie ihn hasste. Sicher und vor den Elementen geschützt im wunderbar kuschligen, zweirotorigen Sikorsky, in den sie sich jetzt so innig zurückwünschte. Leah war nicht in der Lage, noch ein Wort des Abschieds hervorzukramen, denn alle Synapsen in ihrem Hirn waren vollauf damit beschäftigt, ihren baumelnden Körper zum Erstarren zu bringen. Der Wind zerrte an ihr, und der Lärm des Hubschraubers war ohrenbetäubend.
    Leah sah erneut nach unten.
    Fehler.
    Aus der Perspektive, die sich ihr jetzt, am Seil hängend, eröffnete, sah alles noch schlimmer aus. Direkt unter ihr das winzigeSchlauchboot, rundherum eiskalte, tanzende Wassermassen, die sich durch die Luftverdrängung des Helikopters kreisförmig um das Boot herum zu formieren schienen. Auf sie wirkte es, als ob sie in den Schlund eines Vulkans glitt. Dem Blick nach oben bot sich jedoch auch nichts Beruhigenderes, denn nun sah sie die Unterseite des Sikorsky. O. k., sie war keine Ingenieurin, doch ihr Wagen wäre mit solchen Rostflecken zum Liebling jeder Werkstatt geworden.
    Je weiter sie heruntergelassen wurde, umso mehr machte sich der Wind bemerkbar, der das Seil und damit seine Fracht zum Schwingen brachte. So wirst du sterben. Vom Winde verweht, von Wellen begraben. Abyss , flimmerte ihr durch den Kopf, Titanic . Wieso hatte sie sich auch einen Tag ausgesucht, an dem Windstärke 34 herrschte! Mindestens.
    Das wild hüpfende Schlauchboot wurde langsam größer, und Leah konnte zum ersten Mal die Gesichter der beiden Männer darin erkennen. Der eine, ein Japaner, schien alle Mühe zu haben, das Boot auf der Stelle zu halten, der andere winkte ihr zu.
    »Wunderbar, wenn Sie vielleicht ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher