Lied des Schicksals
haben, denn der Boden war schlammig. Wie sollte sie der Missus den Dreck auf ihrem Kleid erklären? Die Lösung kam ihr, als sie sich von hinten dem Farmhaus näherte.
Zwischen dem Haus und dem Abort, den die Mädchen benutzten â ein Loch im Boden mit Sackleinen als Sichtschutz â, war ein kleines matschiges Stück Erde. Yarea ging schnurstracks in den Abort und wartete dort, bis die Missus nach ihr rief. Daraufhin lief sie über den Hof und sorgte dafür, dass sie auf dem matschigen Stück ausrutschte und auf die linke Seite fiel. Leider stürzte sie heftiger, als sie gewollt hatte, sodass die Tränen, die sie wimmernd vergoss, als sie zum Haus humpelte, echt waren.
Nachdem die Missus sie sanft wegen ihrer Achtlosigkeit gescholten hatte, forderte sie sie auf, das andere Kleid anzuziehen, das zum Waschen beiseitegelegt worden war. Yarea machte das nichts aus, weil sie eh nicht verstand, warum sie alle paar Tage ihre Kleider wechseln mussten, egal ob sie schmutzig aussahen oder nicht. Sie hätte ohne Weiteres tagein, tagaus dasselbe Kleid getragen. An dem kochenden Kupferkessel zu stehen und die Wäsche mit zwei Stöcken ständig hochzuheben und wieder einzutauchen war die Aufgabe, die sie am wenigsten mochte.
Als Dalkira allein zum Wäschewaschen geschickt wurde â die Missus hatte Yarea gesagt, sie solle für den Rest des Tages ihren Arm ausruhen â, freute sich Yarea insgeheim diebisch über den Verdruss des älteren Mädchens. Wenn sie noch ein bis zwei Tage so tun könnte, als schmerzte ihr Arm immer noch, würde Dalkira all die schwere Arbeit allein machen müssen. Yarea fand das nur gerecht.
Am nächsten Morgen schüttelte Dalkira Yarea wach. Nur für den Fall, dass das jüngere Mädchen es vergessen haben sollte, warnte sie es erneut, was passieren würde, wenn es wagte, ihr zu folgen. Yarea hatte gar nicht die Absicht, ihr zu folgen. Im Nachhinein hatte sie sehr schnell durchschaut, was Dalkira jeden Morgen tat, da ihr schon viele Male aufgefallen war, wie diese den Sohn der Missus beobachtete. Yarea wusste nicht, ob Dalkira bei dem Sohn lag. Eigentlich interessierte sie das auch nicht, abgesehen von der Macht, die ihr dieses Wissen über Dalkira gab. Sie wusste, dass der alte Bunoo Dalkira immer noch heiraten wollte. Wenn Dalkira zu frech wurde, wusste Yarea nun, wie sie sie in ihre Schranken weisen konnte.
Darcy hatte ebenfalls einen Plan, wie er Dalkira in ihre Schranken weisen konnte. Am nächsten Morgen ging er wie gewohnt schwimmen. Doch statt den Fluss zu durchqueren, schwamm er flussabwärts, wie er es schon einige Male gemacht hatte. Hinter einer leichten Biegung war er für jeden eventuellen Beobachter nicht mehr zu sehen. Er kletterte ans Ufer, zog die Hose an, die er in der Nacht dort hingelegt hatte, und ging am Ufer zurück. Barfuà und völlig lautlos schlich er sich an Dalkira heran, die durch die auseinandergedrückten Zweige des Busches spähte, hinter dem sie sich versteckt hatte. Zweifellos wartete sie darauf, dass er zurückgeschwommen käme.
»Ich bin hier«, sagte er. Er war so verärgert, dass er sich nicht die Mühe machte, die Pidginsprache zu benutzen.
Keuchend fuhr sie herum. Ihr anfänglich erschrockener Gesichtsausdruck verwandelte sich rasch in ein listiges Lächeln. Nun, wo Darcy wusste, dass sie ihn beobachtete, würde sie ihm zeigen, wie sehr sie ihn mochte. Sie packte ihr Kleid mit beiden Händen, um es hochzuziehen und ihm zu zeigen, wo es bei ihr kribbelte. Wenn er ihre Scham sah, würde er ganz bestimmt bei ihr liegen wollen.
Doch stattdessen packte er ihre Hände und hielt sie fest. In seinem durchdringenden Blick lag kein Funken Verlangen. Einen Moment lang hatte sie Angst, weil sie wusste, dass sie einen groÃen Fehler gemacht hatte. Seine Worte klangen rau und barsch.
»Geh zurück an die Arbeit, Dalkira. Wenn du so etwas noch einmal tust, wirst du zu deinem Stamm zurückgeschickt. Das Gleiche wird passieren, wenn ich dich noch einmal erwische, wie du mich beobachtest.«
Als er ihre Hände loslieÃ, floh sie. Er wusste, dass sie ihn genau verstanden hatte. Schwer seufzend ging Darcy wieder zum Fluss hinunter, um seine Stiefel und die anderen Sachen zu holen, die er dort ausgezogen hatte. Wenn das Mädchen in ihn verknallt war, könnte das ein Problem werden. Er würde sie von nun an genauer im Auge behalten.
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