Lied des Schicksals
mit ihnen jegliche Vertraulichkeit. Sie wollte, dass die Mädchen bereitwillig arbeiteten, ihr gehorchten und sie respektierten.
Eines der Mädchen, die Jane ins Haus genommen hatte, war ungefähr zwölf Jahre alt. Die andere war ein paar Jahre älter, entwickelte sich langsam zur Frau und war einem der Stammesältesten versprochen. Ihr Name war Dalkira. Nach einem Gewitter hatte sie einmal auf den groÃen Regenbogen gezeigt, um zu erklären, was ihr Name bedeutete. Obwohl so schön wie der Regenbogen, nach dem sie benannt war, war sie keineswegs ein sanftmütiges und fügsames Wesen. Sie hatte vor Langem beschlossen, dass sie weglaufen würde, bevor der alte Mann sie zu seiner Frau machen konnte. Doch nachdem sie den Sohn der Missus gesehen hatte, entwickelte sie allmählich andere Ideen.
Ein Bad zu nehmen hatte für die beiden Mädchen bisher immer nur bedeutet, nackt in einem Fluss oder einem Wasserloch zu schwimmen. Als man ihnen sagte, sie sollten heiÃes Wasser aus dem Kupferkessel holen und damit die groÃe Badewanne füllen, ahnten sie nicht, dass man sie zwingen würde, nacheinander dort hineinzuklettern, damit die Missus sie am ganzen Körper schrubben und ihnen die wirren schwarzen Locken einseifen und ausspülen konnte.
Yarea, das jüngere Mädchen, erhob ein lautes Protestgeschrei, als Jane anfing, ihr die Haare einzuseifen. Am Ende der Badeprozedur schluchzte sie nur noch leise vor sich hin. Als Dalkira aufgefordert wurde, in die Wanne zu steigen, tat sie das ohne Protest. Wenn diese seltsame Säuberungsmethode dafür sorgte, dass sie mehr wie die Missus aussah, war sie bereit, sich zu fügen, auch wenn es ihr keinen Spaà machte.
Nach dem Bad erhielten sie formlose Kleider aus dunkelblauem Stoff, die sie vom Hals bis zu den Knöcheln und von der Schulter bis zu den Handgelenken bedeckten. Die Missus gab jedem Mädchen einen Kamm und erklärte, wie man ihn benutzte. Mit Hilfe von Zeichensprache gab sie ihnen zu verstehen, dass sie sich von nun an immer so anziehen sollten und dass das Baden eine regelmäÃige Einrichtung würde.
Da Dalkira erkannte, dass sie als Hausangestellte am ehesten vor dem alten Mann in Sicherheit war, gab sie sich groÃe Mühe, das Wohlwollen der Missus zu erlangen. Aufgeweckt, wie sie war, beherrschte sie rasch ein einfaches Englisch. Nachdem sie den anfänglichen Schock über die aufgezwungene Sauberkeit überwunden hatte, stellte sie fest, dass es ihr gefiel, sauberes glänzendes Haar zu haben und eine Haut, die nach Seife roch. Und als sie Darcy sah, stellte sie fest, dass er ihr ebenfalls gefiel.
Letzteres passierte allerdings erst, nachdem sie schon einige Wochen im Farmhaus arbeitete. Darcy war mit den erfahrenen Aborigine-Schäfern unterwegs gewesen, um in den entlegensten Ecken des Grundbesitzes nach streunenden Schafen zu suchen. Er kam müde und euphorisch zugleich nach Hause. Die Niedergeschlagenheit, unter der er seit der Ablehnung durch die Universität gelitten hatte, war durch die vielen anderen Dinge, die seine Aufmerksamkeit forderten, verdrängt worden.
Dalkira hängte gerade Wäsche auf, als Darcy von den Stallungen herüberkam. Als er Hallo sagte und neben der Wäscheleine stehen blieb, senkte sie scheu den Blick, doch ihr Körper begann zu beben.
»Wie heiÃt du?«
»Dalkira«, antwortete sie und warf ihm einen Blick aus den Augenwinkeln zu.
»Arbeitest du gerne hier?« Als er sah, wie sie fragend die Stirn runzelte, wechselte er in die Pidgin-Sprache über und stellte die Frage erneut.
Dalkira nickte, weil sie vor Schüchternheit immer noch keinen Ton herausbrachte. Sie musste mehr üben, dachte sie, um die Sprache dieser Neuankömmlinge zu lernen. Sie sahen wie ihre Leute aus, sprachen und lebten aber wie die WeiÃen. Dalkira glaubte, sie würde gerne so sein wie sie. In dem groÃen Haus zu leben, obwohl es in vieler Hinsicht immer noch ungewohnt war, war so viel bequemer als ihr bisheriges Stammesleben. Und der junge Mann, dessen Haut heller war als ihre, gefiel ihr sehr.
Wenn Darcy in der Nähe war, lieà sie ihn nie aus den Augen, auch wenn sie darauf achtete, dass Yarea und die Missus nichts davon mitbekamen. Wenn er an ihr vorbeikam, sagte er immer Hallo. Er redete zwar auch mit Yarea, aber die war ja noch ein Kind und stellte somit keine Bedrohung für Dalkiras Ambitionen dar.
Als sie eines Morgens besonders
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