Lied des Schicksals
Viel häufiger waren seine Gedanken allerdings bei Etty. Er vermisste sie so sehr, dass es ihm körperlich wehtat. Zutiefst bereute er, dass sie im Streit Abschied genommen hatten. Und manchmal verfluchte er sich, dass er sie in Melbourne nicht besucht hatte. Doch auf diesen Gedanken folgte sogleich die Erinnerung, wie sie vom Publikum verehrt auf der Bühne gestanden hatte, und er fragte sich, worüber sie wohl miteinander reden könnten, falls sie sich je wieder begegneten.
Aber sowohl im Kopf als auch im Herzen wusste er, dass er sie immer lieben würde. Als er eines Morgens merkte, dass er das Lied pfiff, das sie ihm beigebracht hatte, nachdem sie dem Feuer entkommen waren, fuhr er vor Wut über sich selbst auf, zog seine Sachen aus und sprang in den Fluss. Der Schock über das kalte Wasser war so groÃ, dass ihm jeder Gedanke an Etty sofort verging. Er schwamm quer durch den Fluss, hielt sich am anderen Ufer einige Augenblicke fest, um wieder zu Atem zu kommen, und schwamm zurück.
Frierend, aber erfrischt, trocknete er sich mit seinem Hemd ab und zog dann wieder Hose und Stiefel an. Das Schwimmen im frühen Morgengrauen wurde für ihn auÃer an extrem kalten Wintertagen und bei starkem Regen zur Routine.
Als gröÃte Schwierigkeit für die neuen Besitzer von Riverview erwies sich die Suche nach Farmarbeitern. Obwohl Jim ursprünglich eingewilligt hatte, noch ein paar Wochen zu bleiben, verlieà er die Farm fast sofort, nachdem der alte Mann weggebracht worden war. Ohne seine Gefühle in Worte zu fassen, gelang es ihm dennoch zu verstehen zu geben, dass er nicht vorhatte, für einen Mischling zu arbeiten, auch wenn Nelson besser ausgebildet war als er und ihm intellektuell eindeutig überlegen. Vielleicht war es gerade diese Ungleichheit, dachte Jane insgeheim, die Jim veranlasst hatte zu gehen.
Ãberall im Land benutzten die Schafzüchter die sehr preiswerte Arbeitskraft der Aborigines, um mit den von ihnen herangezogenen Tieren gröÃeren Profit zu erzielen, und auch Nelson musste bald feststellen, dass er keine andere Wahl hatte. Er machte die verbliebenen Mitglieder der Aborigine-Gruppe ausfindig, die früher auf Riverview gelebt hatte, und hatte das Glück, unter ihnen zwei Männer zu finden, die bereits für Charles Winton als Schäfer gearbeitet hatten.
AuÃerdem stellte er drei von den jungen Stammesangehörigen ein, die zwar unsicher waren, als sie das erste Mal mit Pferden in Berührung kamen, sich aber schon bald als geborene Reiter erwiesen. Mit der begeisterten Unterstützung dieser jungen Männer machten sich Nelson und Darcy an die riesige Aufgabe, die verwilderten Schafe aus allen Ecken des Grundbesitzes zusammenzutreiben.
Es war ein jämmerlicher Haufen spindeldürrer Tiere, ihr Fell war verfilzt und voller Kletten, die Rücken von Fliegenmaden befallen. Viele waren altersschwach oder krank. Die etwa tausend Schafe â zu Charles Wintons Zeit waren es mehr als doppelt so viele gewesen â wurden in eine groÃe Koppel gebracht und von dort in mehrere kleinere Koppeln getrieben. Die alten und kranken Tiere wurden mit einer Kugel in den Kopf getötet und die Kadaver zu einem Scheiterhaufen aufgetürmt, der am Ende riesig war.
Die Böcke kamen in die kleinste Koppel, wo Nelson später jedes Tier einzeln untersuchen wollte, um festzustellen, ob es als Zuchtbock geeignet war oder im Schlachthaus landen würde. Als Nächstes mussten die Mutterschafe und die Hammel voneinander getrennt werden. Auch von ihnen wurde eine groÃe Anzahl ausgesondert, um nach Adelaide in die Schlachthäuser geschickt zu werden. Am Ende hatte sich die Herde beinah auf die Hälfte reduziert.
Nelson schrieb an Con Trevannick, weil er neue Zuchtböcke und Zuchtschafe kaufen wollte. Er wusste, dass die Merinoschafe auf Langsdale hochwertige Wolle lieferten, und wollte für Riverview den gleichen hohen Standard erreichen.
Während die Männer die Schafe aussortierten und die Nebengebäude reparierten, nahm Jane sich das Innere des Farmhauses vor. Sie stellte zwei junge Aborigine-Mädchen als Hilfe ein und machte sich daran, ihnen beizubringen, wie man ein Haus putzt und wie man Wasser in dem riesigen Kupferkessel in der Waschküche kocht, um dort Haushaltswäsche und Bekleidung zu waschen. Jane behandelte die Mädchen so freundlich, dass sie sich wichtig genommen fühlten, vermied aber im Umgang
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