Lied des Schicksals
Nachdem er seine Stiefel angezogen hatte, blieb er noch eine Weile sitzen, starrte auf den Fluss und beobachtete ein Stück Treibholz, das von der trägen Strömung nach Süden getragen wurde.
Mittlerweile war er neunzehn Jahre alt und noch nie mit einer Frau zusammen gewesen. Natürlich hatte er Gefühle, Gefühle, die ihn im Alter von vierzehn Jahren beschämt hatten. Auf ein paar Umwegen hatte er von Nelson erfahren, warum er manchmal hart wurde und ihm das wehtat. Dennoch hatte er bisher nie das Bedürfnis gehabt, seine Gefühle näher mit einer Frau zu erkunden. Fluchend stand er auf. Verdammte Dalkira, sie hatte seine Gedanken in diese Richtung gelenkt. Er hatte jedoch nicht die Absicht, seine Neugier mit einem der Hausmädchen zu befriedigen.
Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger, während der Sommer allmählich in den Herbst überging und es schlieÃlich Winter wurde. Zur groÃen Erleichterung von Jane und Nelson hatte Darcy sich anscheinend mit seiner Situation abgefunden. Er sprach nicht mehr davon, dass er Jura studieren wolle, und zuckte nur unverbindlich mit den Schultern, wenn seine Mutter ihn danach fragte.
»Nichts, was ich sage oder tue, wird irgendetwas ändern, oder?«
Auf diese unstrittig wahre Aussage wusste Jane keine Antwort, nahm aber einfach an, dass ihr Sohn nun zufrieden sei und seinen Traum, Anwalt zu werden, aufgegeben habe. Wie es ihrem Wesen entsprach, fragte sie nie, ob sie die Briefe lesen dürfe, die Darcy immer noch von Mr Boniface erhielt, sondern gab sich mit dem zufrieden, was Darcy ihr über den Inhalt der Briefe erzählte. Was er ihr nicht erzählte, war, dass Mr Boniface weiter nach Möglichkeiten suchte, wie Darcy seinen Traum doch noch verwirklichen könnte.
Während des ganzen Winters hoffte Darcy bei jedem Brief von Boney, dass er ihm die ersehnte Nachricht bringen würde. Er verriet niemandem, wie gespannt er jeden Brief öffnete, noch wie enttäuscht er war, nachdem er ihn gelesen hatte. Zusammen mit Nelson stellte er sich jeden Tag der riesigen Herausforderung, Riverview in seiner einstigen GröÃe wiederherzustellen. Jede erledigte Aufgabe, so geringfügig sie auch sein mochte, erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Er spürte, wie er eine starke Verbundenheit zu diesem Ort entwickelte. Und ihm war klar, dass er eigentlich zufrieden sein sollte. Riverview würde eines Tages ihm gehören. Die Schafe, um die er sich kümmerte, waren nicht der Besitz eines anderen Mannes. Trotzdem war es immer noch sein gröÃter Wunsch, Jura zu studieren.
Als sich der Busch von den Blüten der Mimosen golden färbte und ihr Duft das Nahen des Frühlings ankündigte, hatte Nelson seine Verhandlungen mit Con Trevannick über den Erwerb von zwei Zuchtböcken und zwanzig Zuchtschafen abgeschlossen. Er sprach über seine langfristigen Pläne, während er mit Darcy den Drahtzaun einer neuen Koppel verstärkte.
»Diese Tiere werden der Anfang unserer eigenen hochwertigen Merinozucht sein. Insbesondere die Mutterschafe müssen sicher von den anderen Schafen abgetrennt sein. Ich will nicht, dass meine guten Zuchtschafe von minderwertigen Böcken besprungen werden.«
»Warum sortieren wir die anderen Böcke nicht einfach aus?«, fragte Darcy.
»Wir brauchen Geld, um diese Farm wieder rentabel zu machen. Und um Geld zu verdienen, brauchen wir sowohl Fleischschafe als auch Schafe zum Scheren. Wir werden die Langsdale-Zuchtböcke zu den besten Mutterschafen tun, die wir haben, damit wir neue Lämmer für die Wollproduktion bekommen. Die Lämmer der übrigen Mutterschafe mästen wir für den Metzger zum Schlachten. Das alles ist ein allmählicher Prozess, Darcy. Ich schätze, dass wir in vier bis fünf Jahren das alte Blut herausgezüchtet haben und eine Herde besitzen, die ganz aus hochwertigen Merinoschafen besteht.«
»Wann bekommen wir die Tiere aus Langsdale?«
»Sobald du dich nach Langsdale bequemst und sie hierher holst«, antwortete Nelson grinsend.
»Ich?« Darcy lieà vor Ãberraschung den Drahtspanner los, zog den Draht nach einer Ermahnung seines Stiefvaters aber sofort wieder an. »Wann soll ich denn fahren?«
Ihm gefiel die Vorstellung, wieder mal nach Langsdale zu kommen. Vielleicht könnte er in Narrabulla haltmachen und auch Louisa besuchen. Sie hatten sich bereits etliche Briefe geschrieben.
»Du
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