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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Tages zu einem privaten Lotmeister gehen würde. Wieviel wissen Sie?«
    »Alles, was er weiß. Genug, um Sie verhaften zu lassen, wenn Sie mir keine Erklärung geben.«
    »Er hat uns von Zeit zu Zeit festnehmen lassen. Die Polizei läßt uns immer wieder frei. Aber bitte, loten Sie. Es macht nichts.«
    »Sie werden sich nicht sträuben?«
    »Nein. Ich bin geehrt.«
    Colmer lotete sie aus.
    Er ging nicht sehr tief. Schließlich war sie ein Talent. Nur ein kurzes Eintauchen, aber es genügte. Danach lehnte er sich zurück und blinzelte verwirrt.
    »Das wird immer seltsamer«, sagte er. »Er hat Sie beauftragt?«
    »Er erinnert sich natürlich nicht. Das gehört zur Abmachung. Aber wir haben alle Papiere. Genügend Nachweise, um die Polizei zu überzeugen, so oft wir festgenommen werden. Sie können es ihm nicht sagen. Das steht auch in den Papieren. Das würde die Schranke aufbrechen, und es gäbe einen Prozeß, wie Sie ihn sich nicht vorstellen können.«
    »Edward Bryllanti«, sagte Colmer nachdenklich. »Ja, der Name kommt mir bekannt vor. Sehr reich. Er könnte es tun. Aber warum sollte er es wollen} Ein Leben in ständiger Furcht, ständig auf der Flucht...«
    »Es ist seine Idee«, sagte die Frau. »Er hat sogar Freda ausgesucht. Sie ist natürlich schwachsinnig.
    Gehirnlöschung. Wir müssen sie an der Hand herumführen und dort hintun, wo er sie sehen kann. Aber irgend etwas an ihr entsetzt ihn. Deshalb wollte er sie beteiligt wissen. Damit er weiter flieht.«
    Colmer begann zu essen. Er kaute langsam und versonnen.
    »Ich verstehe nicht«, räumte er schließlich zwischen zwei Bissen ein.
    Die Frau lächelte.
    »Sie sind nicht tief genug eingedrungen. Das verstehe ich. Haben Sie es nicht gefunden? Sagen Sie, haben Sie nie Augenblicke erlebt, in denen Sie sich gefragt haben, ob sich das alles lohnt? In denen Ihnen plötzlich aufging, daß alles sinnlos, alles leer ist?«
    Colmer starrte sie an und kaute.
    »Bryllanti erlebte das häufiger als andere. Er ließ PSI-Psychiater kommen, ging zu Lotmeistern. Es half nichts. Schließlich tat er das. Jetzt stellt er sich keine Fragen darüber mehr. Er lebt jeden Tag ganz aus, weil er glaubt, es könnte sein letzter sein. Er hat ständige Aufregung, ständige Furcht, und es bleibt ihm nie Zeit, darüber nachzudenken, ob das Leben lebenswert ist. Er hat zuviel damit zu tun, nur am Leben zu bleiben. Verstehen Sie?«
    Colmer starrte sie weiter an. Es war ihm plötzlich kalt geworden. Der Fisch in seinem Mund schmeckte wie feuchtes Sägemehl.
    »Aber er flieht«, sagte er schließlich. »Sein Leben ist leer. Einfach auf der Flucht, auf sinnloser Flucht, in einer Tretmühle, die er sich selbst geschaffen hat.«
    Die Frau seufzte.
    »Sie enttäuschen mich. Von einem Lotmeister habe ich mehr erwartet. Begreifen Sie denn nicht? Wir fliehen alle .«
    Danach senkte Colmer seine Honorarforderung, um mehr Fälle zu bekommen. Aber trotzdem überfallen ihn die Stimmungen noch oft.
     
     
    »The Runners«
Copyright, ©, 1975, by Mercury Press, Inc.
From The Magazine of Fantasy and Science Fiction, September 1975.
     

Nachtschicht
     
     
    Dennison schob seine Karte in die Büro-Kontrolluhr, wartete auf das schwere Stampfen und riß die Karte an sich, als die Maschine sie ausspuckte. Er steckte sie in ihr Fach zwischen den anderen Karten und trat durch die Bürotür hinaus auf das Verladedock.
    Es war, als steige man in einen Schmelzofen. Das Büro, eine Plastikwarze im Gesicht des erhöhten, kreisrunden Docks, besaß eine Klimaanlage, aber der Verladebereich selbst nicht. Der Betonboden hatte unter der Augustsonne viel leiden müssen, und nun rächte er sich doppelt.
    Dennison hatte gerade mit einem Gebet für die Seelen der armen Kerle begonnen, die untertags hier draußen arbeiten mußten, als der arme Kerl und Vorarbeiter McAllister auf ihn zukam und ihm ein Klemmbrett überreichte.
    »Viel zu tun?« fragte Dennison.
    McAllister nickte.
    »Ja«, sagte er. »Und Sie werden noch mehr zu tun haben. Die verdammte Y 324 hat über eine Stunde Verspätung. Aber ich beklage mich nicht. Damit fällt sie in Ihre Schicht.«
    Dennison blätterte in den Unterlagen auf dem Klemmbrett, dann schaute er sich auf dem Verladedock um. Sechs der zehn Liegeplätze am Rand des großen Betonkreises waren besetzt. Die gedrungenen, verfärbten Raumschiffe bildeten einen ungleichmäßigen, lückenhaften Ring um das Dock. Ihre klaffenden Frachtluken wurden von den riesigen Containern und gestapelten Kisten

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