Lieder von Sternen und Schatten
Gedächtnis genommen. Aber sie fürchten, ich könnte es wiedererlangen. Daher wollen sie mich töten. Das ist es, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Colmer. »So einfach kann es nicht sein. Wenn sie nur Verbrecher wären, würde die Polizei sie nicht immer wieder freilassen. Das geschieht immer wieder, wie Sie wissen. Auf Newholme, auf Baldur, auf Silversky. Sie sind weit herumgekommen. Ich beneide Sie um Ihre Reisen.« Er lächelte.
Bryl lächelte nicht.
»Meine Flucht, meinen Sie. Ich glaube nicht, daß Sie mich darum beneiden würden, wenn Sie das durchmachen müßten. Sehen Sie, Colmer, ich lebe in ständiger Angst. Jedesmal, wenn ich über die Schulter blicke, frage ich mich, ob sie hinter mir sind. Manchmal ist es so.«
»Zugegeben. Ich habe die Vorgänge gesehen. Als das dicke Mädchen in Ihrer Wohnung saß und Sie heimkamen. Der Mann, der am Raumflughafen wartete, als Sie von der Zeit in den Orbitalwerften zurückkamen. Die Blondine, die Ihnen durch den Vergnügungspark folgte. Sehr lebhafte Erinnerungen. Sehr erschreckend.«
Bryl starrte ihn entsetzt an.
»Mein Gott! Wie können Sie so reden? Sie sind kalt, Colmer.«
»Das muß ich sein. Ich bin Lotmeister.«
»Was können Sie mir sonst sagen?«
»Die drei arbeiten zusammen. Aber das wissen Sie, nicht wahr? Die Blonde ist eine Telepathin. Auf diese Weise kann sie Ihnen folgen. Der Mann ist ihr Beschützer. Das dicke Mädchen – ich weiß nicht. Sie ist sehr sonderbar. Sie lächelt wie eine Schwachsinnige. Ich verstehe ihre Funktion nicht. Aber sie scheint Sie zu Tode zu erschrecken.«
Bryl fröstelte es.
»Ja. Sie würden das verstehen, wenn Sie sie gesehen hätten. Sie ist unförmig. Aufgedunsen und weiß, wie eine fette Made. Und immer lächelt sie, verdammt noch mal, immer lächelt sie mich an. Ich weiß nie, wo sie auftauchen wird. Damals auf Newholme, als ich die Tür öffnete und sie dasaß und mich anlächelte, war das als fände man eine Küchenschabe in einer Schüssel Kornflocken, die man halb leergegessen hat. O Gott!«
»Sie sind davon überzeugt, daß sie Sie töten wird«, sagte Colmer. »Ich weiß nicht, warum. Wenn getötet werden soll, wäre der Mann der logische Kandidat. Er ist größer und sieht sehr kräftig aus. Sie haben die Waffe gesehen, die er trägt.«
Bryl nickte.
»Ich weiß. Aber er wird es nicht sein. Sie wird es tun. Ich weiß es. Deshalb lächelt sie immer.«
»Sie könnten sich eine Pistole kaufen und sie töten«, meinte Colmer.
Bryl sah ihn an.
»Daran – habe ich nie gedacht.«
»Das ist wahr. Aber eigentlich seltsam. Denken Sie nicht nach?«
»Doch. Doch aus irgendeinem Grund könnte ich das nicht tun. Ich neige nicht zur Gewalt.«
»Sie neigen sehr dazu«, sagte Colmer. »Aber ich gebe Ihnen recht. Sie werden keine Gewalt gegen sie anwenden, aus einem Grund, den nicht einmal Sie selbst kennen.«
Bryl rutschte nervös hin und her.
»Können Sie mir helfen? Bevor sie mich finden?«
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Aber gefunden haben sie Sie schon. Die Blondine ist gerade ins Restaurant gekommen. Man gibt ihr einen Tisch.«
Bryl ächzte und fuhr auf seinem Stuhl herum. Auf der anderen Seite des Plankenbodens führte der Oberkellner eine blonde junge Frau mit guter Figur zu einem Tisch. Bryl starrte sie mit offenem Mund an.
»O Gott«, sagte er. »Sie lassen mich nicht in Frieden.« Dann war er plötzlich auf den Beinen und rannte hinaus, floh buchstäblich, so schnell er konnte. Die Blondine schenkte ihm nicht einmal einen Blick.
Colmer sah ihm nach, dann schaute er zum Bullauge hinaus. Bryl würde noch entsetzter sein, wenn er den Kai erreichte. Ein gutes Stück entfernt saß ein unförmig dickes Mädchen mit schwachsinnigem Grinsen am Rand der Pier und sah den Fischerschiffen zu, wie sie ihre Ladung einbrachten.
»Sehr dramatisch«, sagte Colmer. Dann kam sein Essen, ein Teller mit dickem Blaulaich, mit Käse gebraten. Aber er stand auf. »Ich setze mich zu der jungen Dame dort«, sagte er zum Kellner und deutete hinüber. »Bringen Sie den Teller.«
Er ging durch das Lokal und setzte sich. Der Kellner folgte ihm und stellte den Fisch vor ihn hin.
Die Blondine hob den Kopf.
»Adrian Colmer«, sagte sie. »Ich habe von Ihnen gehört.«
Corner machte tz-tz.
»Loten ohne Erlaubnis. Sehr unstandesgemäß, junge Dame. Aber ich verzeihe Ihnen. Ich bin sicher, daß Sie nicht viel gefunden haben. Meine Abwehr ist sehr stark.«
Sie lächelte.
»Richtig. Es war wohl unvermeidlich, daß er eines
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