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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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ab. Zwischendurch hielt er mir einen Vortrag darüber, wie wichtig die richtige Reihenfolge der Musik für eine erfolgreiche Party sei. Und als DJ müsse er jederzeit flexibel reagieren können. Sein Ziel sei es, im Laufe des Abends alle zum Tanzen zu kriegen. Aber er wollte uns noch ein wenig Zeit lassen.
    Mücke hatte im Spülkasten der Herrentoilette die Whiskeyflasche versteckt. Er war schon drei- oder viermal auf dem Klo verschwunden, um sich einen Schluck zu genehmigen. Ich hatte mich noch zurückgehalten. Als ich mir ein neues Bier holte, stieß ich fast mit Gisela zusammen, die sich vom improvisierten Büfett etwas rote Grütze geholt hatte. Wir kamen ins Gespräch. Sie fragte, ob mich Berlin auch so beeindruckt hätte wie sie. Klar, sagte ich. Gisela sagte, sie wolle nach dem Abitur hierhergehen, um Medizin zu studieren. Wir setzten uns auf den Boden in eine Ecke, und sie erzählte mir von sich. Am liebsten hätte sie ein Kreuzberger Hinterhofzimmer ganz nahe an der Mauer. Dann fragte Gisela, ob sie mal von meinem Bier trinken dürfte. Ich reichte ihr die Dose, und sie trank, ohne die Öffnung vorher abzuwischen. Sie hatte die Knie angezogen und ihre Arme darauf verschränkt und fuhr mit ihrem Kinn auf ihrem Unterarm hin und her. Sie trug einen weiten Rock und Schuhe aus auberginefarbenem Samt mit einem Streifen über dem Spann. Ich warf einen Blick auf ihre Fesseln. Schön schlank.
    »Eigentlich mag ich gar kein Bier«, sagte sie.
    Ich zuckte mit den Schultern. Sie hatte blonde Locken, die ihr bis auf die Schultern fielen. Ihre weiße Bluse hatte pumpige Ärmel und Rüschen am Hals. Sie sah ein bißchen aus wie eine Bäuerin oder eine Magd. Über ihre Schulter hinweg sah ich, daß Britta jetzt nur noch mit Sudhoff sprach. Die Jacobs war weg. Sie lachten. Mücke hockte immer noch mit der schönen Claudia zusammen.
    Gisela veränderte ihre Sitzposition etwas. Ich konnte jetzt ein wenig von ihrer Wade sehen. Ich ging zur Toilette und nahm einen Schluck aus der Whiskeyflasche. Das Zeug brannte mir im Rachen, und mir traten die Tränen in die Augen. Ich spülte mit Leitungswasser nach. Als ich von der Toilette kam, saß Gisela immer noch da und wartete auf mich. Ich konnte ihren Slip sehen. Als ich mich wieder setzte, sagte sie, man könne sich gut mit mir unterhalten. Ganz kurz legte sie mir die Hand auf den Unterarm. Ich nickte. Dann drehte der lange Schäfer die Musik lauter auf. Einige fingen an zu tanzen. Zum Unterhalten war es jetzt zu laut. Ich sah, daß die schöne Claudia allein dasaß. Mükke war offenbar mal wieder auf der Toilette. Ich schrie Gisela ins Ohr, ich müsse mal nach Mücke sehen, sie nickte, und ich stand auf und ging zur Toilette zurück. Die Tür war abgeschlossen.
    Als Mücke herauskam, hatte er die Flasche in der Hand. »Es wird einfach zu lästig, ständig aufs Klo zu rennen«, sagte er.
    »Klar«, sagte ich. Dann ging er an mir vorbei und nach oben, in den Jungsschlafraum im zweiten Stock. Ich blieb ein paar Minuten stehen, dann ging ich ihm nach. Mücke saß auf der Fensterbank. Das Fenster war offen.
    »Na«, sagte ich und prostete ihm zu.
    »Na, du alte Sau, warst du schon mit dem Finger drin?«
    »Was machst du hier?«
    »Wonach sieht das wohl aus? Ich gucke nach draußen.«
    »Geile Stadt, was?«
    »Scheißstadt. Blödes Pißnest.«
    Er war schon ziemlich hinüber. Seine Lider hingen schwer über den Augäpfeln. Von unten hörte man ELO: »Don’t bring me down«. Ich haßte ELO. Sie wollten Beatles sein.
    »Du bist ja total blau«, sagte ich. »Paß bloß auf, daß Sudhoff nichts davon mitbekommt.«
    Mücke verzog den Mund und meinte, Sudhoff sei ein Arschloch, ein windelweicher Sack, der ihn mal kreuzweise könne. Und ich sollte auch mal nicht den dicken Max machen mit meiner Vopo-Geschichte, die ja wohl allenfalls zur Hälfte wahr sei, und außerdem sei es eine verdammt schwache Leistung, daß ich meine Pisse nicht bei mir behalten könne, da sei es nur gerecht, wenn auf mich geschossen würde. Und dann sah er wieder zum Fenster hinaus und sagte: »Guck dir diese Scheißstadt an. Und die andere Scheißstadt da drüben. Zum Kotzen das alles. Die kommen sich alle so besonders vor.« Dann sah er nach unten. »Was meinst du, wie hoch ist das?«
    »Keine Ahnung. Fünf Meter vielleicht.«
    »Reicht.«
    »Was reicht?«
    »Ich meine, wenn man mit dem Kopf aufschlägt, dürfte es reichen. Allerdings sind fünf Meter nicht genug, um unterwegs bewußtlos zu werden. Das heißt, man

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