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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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hast doch diesen ganzen Friedensscheiß so vor dir her getragen, damals. Ich hätte mir nie vorstellen können, daß du zum Bund gehst, dafür bist du doch viel zu zart besaitet.«
    »Bei dir habe ich immer gedacht, du wärst ganz heiß drauf, mit der Knarre in der Hand durch die Scheiße zu robben.«
    »Das täuscht«, sagte Mücke und machte eine Pause, in der ihm wohl wieder einfiel, daß er Mücke war. »Ich meine, so ’n bißchen rumballern wäre schon geil gewesen, aber dieses ganze Herumkommandieren und mit sechs Idioten auf einem Zimmer und das Bett mit dem Zollstock machen… Nee, nichts für mich.«
    »Warum hast du nicht verweigert?«
    »Alten Knackern die Scheiße aus dem Arsch zu wischen hört sich nicht nach einer tollen Alternative an.« Dann lachte er. »Außerdem hätte mein Vater mich wohl grün und blau geprügelt, wenn ich ein Verweigerer geworden wäre, von meinem Bruder mal ganz zu schweigen.« Er hatte das Wort »Verweigerer« ausgesprochen wie ein spanischer Inquisitor das Wort »Heide«.
    »Und jetzt machst du was mit Autos, hast du am Telefon gesagt?«
    »Nicht, was du denkst.«
    »Was denke ich denn?«
    »Du denkst doch an krumme Sachen. Was anderes kannst du dir doch bei mir auch nicht vorstellen. Du wunderst dich wahrscheinlich, daß ich noch nicht im Knast sitze.«
    »Ach Quatsch.«
    »Ich arbeite in einem Autohaus. Ganz seriös. In Schlips und Kragen. Ich bin ziemlich gut.«
    »Und heute hast du frei?«
    »Ich habe die ganze Woche Urlaub. Dafür muß ich im Sommer arbeiten, wenn die Familienväter in die Ferien gurken. 
     
    Haben die da drüben sich prima ausgesucht. Machen die Mauer auf, während ich Urlaub habe. Sehr rücksichtsvoll.«
    »Meinst du, die Mauer bleibt auf?«
    »Wie sollen sie die jetzt wieder zukriegen?«
    »Und was kommt dann?«
    »Was weiß ich. Du studierst doch Geschichte, sag du es mir.«
    Ich sagte nichts.
    »Ist mir auch scheißegal«, sagte Mücke. »Aber das Spektakel ist geil. Die ganze Stadt macht Party. Gestern war ich im Osten. Aber so richtig, nicht nur am Alex oder so. Wir waren auf ’ner Party. Ich kam mir vor wie auf dem Mond. Die kriegen sich alle gar nicht mehr ein. Man sollte anfangen, mit Videorecordern zu dealen.«
    »Du hast gesagt, du hättest Britta gesehen?« Mücke grinste.
    »Hab ich mir doch gedacht, daß dir das unter den Nägeln brennt.«
    »So schlimm ist es nicht.«
    »Ach, hör doch auf, mich zu verarschen. Ich weiß Bescheid. Du warst total verknallt in sie, bist es wahrscheinlich immer noch. Außerdem war sie die erste, die dich rangelassen hat. Das vergißt man natürlich nicht. Hab ich doch auch nicht.«
    »Woher weißt du das alles?« wollte ich wissen. »Und was sollen diese blöden Anspielungen von wegen, nicht nur Händchen gehalten und hab ich auch nicht vergessen?«
    »Na hör mal, du weißt doch wohl, daß ich auch was mit ihr laufen hatte. Sie hat mir das alles erzählt. Sie hat uns beide zum ersten Mal richtig rangelassen, und wahrscheinlich nicht nur uns. Die hatte es ganz schön hinter den Ohren, unsere Britta.«
    »Was soll das heißen?«
    »Was soll was heißen? Willst du mich verarschen?« Er machte eine Pause. »Ach du Scheiße«, sagte er dann und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Du hast es nicht gewußt, was? Du hast nicht gewußt, daß ich sie auch gefickt habe. Du hast wirklich gedacht, du wärst der einzige gewesen, was? Du hast vielleicht sogar gedacht, sie wäre auch in dich verknallt gewesen, was? Ach du Scheiße, ach du Scheiße!«
    In diesem Moment kam die Frau, die mir die Tür geöffnet hatte, herein, noch immer im Mickey-Mouse-T-Shirt. Sie sah noch immer nicht besser aus.
    »Ihr Arschlöcher macht einen verdammten Krach«, sagte sie. »Ich hatte Nachtdienst. Es wäre schön, wenn darauf mal jemand Rücksicht nehmen würde.« Sie schlurfte zum Kühlschrank, nahm eine Packung Milch heraus und verschwand wieder.
    »Tja, was soll ich sagen«, sagte Mücke, als die Frau wieder verschwunden war, »ich dachte, du hättest es gewußt.«
    »Wer war die Frau?« wollte ich wissen.
    »Das war Carola. Die wohnt hier. Aber nur so. Ich habe nichts mit ihr. Außerdem wohnt hier noch einer, der Boris heißt, in einer Pommesbude arbeitet und an den Sieg des Sozialismus glaubt. Und Klaus, aber der ist gerade nicht da, der studiert Tiermedizin oder so, jedenfalls sagt er das, aber ich habe in seinem Zimmer noch kein einziges Buch gesehen. Carola ist Krankenschwester, und manchmal glaube ich, sie ist lesbisch. Ich habe

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