Liegen lernen
aus seinem Mund tropfen zu lassen. Jetzt sah ich, daß zwischen seinen Füßen schon einige, noch frische Speichellachen waren. Offenbar versuchte er, ein Muster zu spucken. Ich konnte aber nicht erkennen, was für eins.
»Hast du den Ring noch?« fragte ich sie.
»Welchen Ring?«
»Den Ring, den ich dir mal zu Weihnachten geschenkt habe.«
»Du hast mir mal einen Ring geschenkt?«
Wir fuhren ziemlich lange. Plötzlich packte Britta mich am Arm, sprang auf und zog mich zur Tür. Wir fuhren gerade in einen Bahnhof ein, und als wir anhielten, riß sie hastig an dem Hebel, der die Türen öffnete, und zog mich nach draußen.
Es war eine ganz normale Gegend. Wir gingen noch etwa zehn Minuten schweigend nebeneinander her, dann betraten wir ein Haus, das aussah, als könnten meine Eltern darin wohnen. Der Hausflur roch nach Reinigungsmitteln, und vor den Türen lagen Fußmatten auf denen »Willkommen« stand oder »Tritt ein, bring Glück herein«. Auf den Treppenabsätzen, die wir passierten, standen Strohblumen in angemalten Milchkannen und kleine Gummipalmen mit einer großen Nuß am unteren Ende. Wir stiegen bis ganz nach oben. Ich war ziemlich außer Atem, als ich oben ankam, Britta schien besser trainiert zu sein. Sie schloß die Tür zur Rechten auf, und wir gingen hinein.
Es war eine ganz normale Wohnung. Auslegeware, Einbauküche, im Wohnzimmer alles Richtung Fernseher ausgerichtet, ein nach oben in Dreiecken endendes Ikea-Ensemble aus Regal und Vitrine, mit Leonardo-Gläsern darin, eine lederne Sitzgarnitur und weiße Gardinen an den Fenstern. Und nirgendwo Bücher. Außer dem Wohnzimmer gab es nur noch ein Schlafzimmer mit einem ordentlich zugedeckten Doppelbett. Auch dort keine Bücher.
»Willst du was trinken?« fragte sie, ohne mich anzusehen.
»Klar. Was gibt’s denn?«
»Alles.«
»Dann nehme ich ein Bier.«
»Eigentlich ist nur Wein da.«
»Wein ist auch okay.«
Sie ging in die Küche und kam gleich darauf mit einer Flasche Frascati und zwei Gläsern zurück. Ich hatte mich aufs Sofa gesetzt, aber sie sagte: »Komm, wir setzen uns in die Diele.« Also stand ich auf und ging in die Diele, und Britta schaltete hinter mir das Licht im Wohnzimmer aus. Ich drehte mich zu ihr um und sah sie fragend an, und sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand, goß die beiden Gläser voll, schloß die Augen und legte den Hinterkopf an die Wand. Ich setzte mich in die Mitte der Diele im Schneidersitz auf den Boden. Britta sah müde aus, hatte Ringe unter den Augen. Ohne die Augen zu öffnen, hob sie ihr Glas und sagte: »Cheers. Willkommen in Berlin.«
Ich stieß mein Glas gegen ihres. Wir tranken, und sie griff, die Augen immer noch geschlossen, zum Lichtschalter und machte das Licht aus. Es war jetzt ganz dunkel in der Wohnung, nur durch das Wohnzimmerfenster fiel etwas Licht von einer Straßenlaterne herein.
Ich sagte ihr, daß Mücke sich sehr verändert habe und daß ich keinen Kontakt mehr zu Leuten von früher hätte. Wir saßen herum, und es war sehr still.
»Du kannst hier schlafen, wenn du willst«, sagte sie. »Ich bin müde.«
»Okay«, sagte ich, und sie stand auf. Sie ging ins Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich. Als sie wieder herauskam, trug sie einen gestreiften Herrenpyjama, ging ins Bad und putzte sich die Zähne, alles, ohne Licht zu machen. Dann ging sie wieder ins Schlafzimmer und nahm die weiße Decke vom Bett, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie neben dem Bett auf den Boden. Das Bett war ordentlich gemacht: zwei Kopfkissen, zwei Decken in gedeckten Farben mit einem dezenten Blumenmuster. Britta legte sich auf die rechte Seite, schob eine Hand unters Kopfkissen und schien gleich einschlafen zu wollen. Ich zog mich aus bis auf Unterhose und T-Shirt und legte mich auf die rechte Seite, auf den Rücken, die Hände unter dem Kopf verschränkt. Ich roch ein wenig unter den Achseln, also legte ich die Hände auf die Bettdecke. Ich fragte sie: »Hast du mit Mücke geschlafen, damals?« Sie sagte: »O Gott, das ist alles so lange her.« Ich wollte noch etwas sagen, aber da war sie schon eingeschlafen.
Als ich aufwachte, war das Bett neben mir leer. Ich stand auf und sah in den anderen Zimmern nach. Sie war nicht da. Ich ging duschen. Als ich aus dem Bad kam, stand sie vor mir und sagte: »Ich war beim Bäcker.« Ich war nackt. Sie sah auf meinen Schwanz, und ich bedeckte ihn mit den Händen.
»Zieh dich an«, sagte sie, »es gibt Frühstück.
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